Bernsteinsommer (German Edition)
Aussicht darauf, dass jemand von ihren Freunden diesen schrecklichen Abend für sie ein bisschen unterhaltsamer gestaltete, war schließlich nicht unbedingt unangenehm. Sie würde ohnehin früh genug einsam in ihr Bett schlüpfen müssen, das vermutlich noch immer nach Finn roch.
„Nanu, hast du ein Problem?“, fragte Kira interessiert. Sie wusste, dass Torben Brockmann sich üblicherweise schwer damit tat, seine Sorgen und Nöte in Worte zu fassen. Er war noch niemals ein großer Redner gewesen. Trotzdem hatte sie ihn in den letzten Jahren als Freund durchaus zu schätzen gelernt – das heißt, zumindest seit er über seine jugendliche Verliebtheit hinweg war, denn die hatte ihre Freundschaft für eine gewisse Zeit ziemlich belastet.
„Du bist doch gerne hier auf Sameland, oder, Kira?“
„Natürlich, das weißt du doch, und seit ich dieses Haus habe …“
„Ich meine, du bist gerne hier bei mir, hab ich recht?“
Sie stand vor ihrem Küchentresen und lächelte ihn noch immer an, aber dann irritierte sie irgendetwas in seinem befremdend starren Blick. Das freundliche Lächeln in ihrem Gesicht löste sich langsam auf, und sie spürte, wie ihre Mundhöhle trocken wurde.
„Olaf, Anna und du, ihr seid meine Freunde. Ich freue mich immer, wenn ich mit euch zusammen sein kann“, erwiderte sie mit belegter Stimme.
„Ich rede nicht von Anna oder von … Olaf, sondern nur von mir, Kira. Du weißt doch schon lange, wie sehr ich dich liebe. Es hat sich nichts daran geändert. All die Jahre nicht.“
In Kiras Kehle wurde es zunehmend enger, und sie musste schlucken.
„Torben, was soll das?“
Als er fast zögernd auf sie zukam, verstärkte sich ihre Unsicherheit noch mehr und wurde zu einer dunklen Vorahnung.
„Ich bin hier, um endlich über alles zu reden, mein Liebling. Wir haben schon viel zu lange gewartet, findest du das nicht auch? Und gerade jetzt, wo sich dieser Andersen so in dein Leben drängt … Ich bin der Meinung, du solltest ihm endlich reinen Wein einschenken, Prinzessin.“
Finn duschte nur kurz und trocknete sich anschließend ebenso flüchtig ab. Nachdem er sich noch die Zähne geputzt hatte, ging er schließlich nackt zurück in sein Schlafzimmer. Dort schlüpfte er in frische Shorts und wollte gerade nach seiner Uhr greifen, um sie für die Nacht wieder umzubinden, als sein Blick noch einmal auf den Bildschirm fiel.
Kira! Oh mein Gott!
Kaum hatte er den zweiten Lichtpunkt auf dem Bildschirm entdeckt, war er auch schon in seine Jeans gestiegen, steckte seine Waffe in den Bund und zog die Stiefel an. Danach griff er nach seinem Sweatshirt und setzte sich in Bewegung.
In seinem Kopf und in seinem Magen war sofort die Hölle los, denn ein untrüglicher Instinkt sagte ihm, dass Kira tatsächlich in Gefahr schwebte.
Als er sich das Sweatshirt überzog, war er bereits auf der Treppe.
Schnell, schneller!
Während er nach seinen Schlüsseln griff und zur Tür hastete, schoss ihm der Gedanke durch den Kopf, dass Lukas heute Abend um ein Haar den Wagen genommen hätte, und praktisch im selben Moment überrollte ihn die Panik.
Plötzlich war da nur noch die wahnsinnige Angst, erneutzu spät zu kommen und Kira genauso wenig retten zu können wie damals Mike.
Dass alle Reifen an seinem Auto in Ordnung waren, brachte ihm nur für den Bruchteil einer Sekunde Erleichterung, dann gewann die Angst um Kira wieder die Oberhand.
Ich habe die Gefahr unterschätzt, verdammt! Ich habe diese verfluchte Insel unterschätzt! Wie konnte mir das nur passieren!
Kira holte tief Luft, und ihr Herzschlag beschleunigte sich.
Fast unmerklich wich sie vor Torben so weit zurück, bis die Küchenschränke in ihrem Rücken einen weiteren Rückzug unmöglich machten. Torben Brockmann stand vor ihr, sah sie mit brennendem Blick an, und Kira fühlte sich, als wäre sie sehenden Auges in eine Falle gelaufen, die jetzt zugeschnappt war und aus der es kein Entkommen mehr geben würde. Er hob eine Hand und strich ihr fast zärtlich eine Haarsträhne über die linke Schulter nach hinten.
„Du weißt doch jetzt, wo du wirklich hingehörst, nicht wahr, Kira? Du hast doch jetzt genug erfahren, dass andere Männer dich nicht wirklich zu schätzen wissen – nicht so, wie ich es tue.“ Seine Stimme klang erregt. „Jede Nacht liege ich wach und stelle mir vor, wie ich dich liebe. Ich werde dir zeigen, wie sehr ich dich und deinen schönen Körper achte, mein Liebling. Niemals würde ich dich hier einfach in der Küche
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