Bernsteinsommer (German Edition)
nehmen wie ein brünstiges Tier, niemals! Das weißt du doch, oder?“
„Hör auf damit, Torben. Hör sofort auf damit!“, wisperte sie, während sie sich innerlich selbst beschwor, sich ihre wachsende Angst nicht anmerken zu lassen. Dies war doch Torben, versuchte sie sich noch immer selbst zu beruhigen, Torben, ihr guter und treuer Freund aus Kindertagen!
Doch schon in der nächsten Sekunde kam ihr wieder in den Sinn, dass Torben sich ihr gegenüber ja schon einmal danebenbenommen hatte. Sicher, er war noch sehr jung und unreif gewesen, aber auch schon damals hatte er sie in die Enge getrieben und versucht, sie zu umarmen und zu küssen – bis Olaf endlich gekommen war und ihn dafür verprügelt hatte.
Als er erneut die Hand hob, um Kira zu berühren, wich sie zurück. „Nein! Fass mich nicht an!“
Torbens Miene verfinsterte sich. „Du bist jetzt nach Hause gekommen. Alles wird gut. Hör endlich auf, dich länger dagegen zu wehren. Wir gehören doch zusammen. Wir haben immer schon zusammengehört. Ich finde, ich habe dir jetzt wirklich genug Zeit gelassen, um dich auszutoben – und glaub mir, das war nicht immer leicht.“ Er kam noch etwas näher und nahm ihr fast die Luft zum Atmen. Als er sie an sich ziehen wollte, setzte sie sich zur Wehr und stemmte ihre Handflächen gegen seine Brust.
„Nein, Torben, nein!“
„Kira, mein Schatz …, warum spielst du dieses lästige Spiel noch immer mit mir? Irgendwann ist es wirklich genug.“
Sein großer Körper presste sie an die Küchentheke, und sein Atem ging jetzt hörbar schwerer – und dann ging plötzlich alles so schnell, dass Kira für einen winzigen Augenblick glaubte, in einem Action-Film gelandet zu sein.
Die Haustür flog krachend auf, und Finn stand breitbeinig mitten im Raum. Er hatte beide Arme weit ausgestreckt, und in seinen Händen hielt er eine schwarze, glänzende Waffe, mit der er direkt in ihre Richtung, besser gesagt, direkt auf Torben zielte – und all das passierte in weniger als einer Sekunde. Jedenfalls kam es Kira so vor.
„Nimm sofort deine dreckigen Hände von ihr, Brockmann!“, rief er schneidend. „Mach schon! Geh weg von ihr!“
Der Schrecken war Kira so heftig in die Glieder gefahren, dass ihr leicht schwindelig wurde. Sofort lehnte sie sich wieder zurück an die Küchentheke. Finns Blick wirkte hart. Sein Gesicht und seine ganze Körperhaltung drückten überlegene Stärke, Entschlossenheit und eisige Kälte aus. Nicht einmal für den Bruchteil einer Sekunde ließ er Torben Brockmann aus den Augen.
Sie schluckte, bemerkte aber auch, dass Torben tatsächlich ein gutes Stück von ihr abrückte und sie sich plötzlich nicht mehr von ihm bedroht fühlte.
„Weg von ihr, hab ich gesagt.“ Finns Stimme wurde zu einem beunruhigenden Knurren, und mit der Waffe deutete er kurz die Richtung an, in die Torben sich bewegen sollte.
„Willst du mich etwa erschießen, nur weil ich einer alten Freundin einen Besuch abgestattet habe?“ Torben hatte offensichtlich den ersten Schreck überwunden und versuchte jetzt seinerseits mit stoischer Ruhe die Situation zu entschärfen. Kira konnte kaum glauben, was sich hier vor ihren Augen abspielte.
„Mir sah das allerdings ganz und gar nicht nach einem harmlosen Besuch unter Freunden aus, Brockmann. Offensichtlich fühlte die Dame sich ziemlich von dir belästigt, hab ich recht, Kira?“ Finns Blick und auch seine Waffe blieben fest auf Torben gerichtet, während er sprach.
Kira wollte absurderweise antworten, brachte aber nur ein Krächzen zustande. Sie räusperte sich, atmete tief ein und versuchte so ihre Fassung zurückzugewinnen – und dann setzten sich schleppend wieder ihre Denkprozesse in Gang. Ihr Blick streifte noch einmal Finns entschlossenes Gesicht, dann holte sie erneut tief und gründlich Atem.
„Verschwinde, Torben“, sagte nun auch sie. Ihre Stimme klang ruhig, aber bestimmt. „Ich will dich niemals wieder hier sehen, hast du gehört? Niemals! Du hast unsere Freundschaft endgültig mit Füßen getreten.“
Torben sah sie an, und sein Gesicht verzog sich schmerzvoll. „Er wird dich nicht bekommen, Kira, dafür werde ich sorgen“, flüsterte er ihr zu. „Du gehörst zu mir.“
„Ich werde niemals zu dir gehören, Torben.“ Ihre Augen waren jetzt wieder klar, und ihr fester Blick unterstrich ihre Worte. Torben Brockmann legte kurz den Kopf in den Nacken und stieß ein wütendes Schnauben aus.
„Wenn du jetzt nicht auf der Stelle dieses Haus verlässt,
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