Bernsteinsommer (German Edition)
ihr Vater und Magda Quint vor einigen Jahren für kurze Zeit ein Paar gewesen waren. Sie hatte sich auch immer mal wieder gefragt, warum seinerzeit nichts Ernsthafteres daraus wurde, weil der Kontakt zwischen den beiden seither niemals ganz abgerissen war. „Es geht ihr gut, Papa, sie sieht immer noch blendend aus.“
„Ja, das denke ich mir.“ Einige Sekunden lang blieb es still in der Leitung, dann sprach Edgar Lengrien weiter: „Vielleicht habe ich damals doch einen Fehler gemacht, Kira. Ich hatte noch zu viel Angst vor einer neuen Beziehung, nachdem deine Mutter und ich es nicht geschafft hatten. Jetzt ist es wohl längst zu spät, um die Sache wieder aufzuwärmen. Aber ich muss zugeben, dass ich all die Jahre immer mal wieder drüber nachgedacht habe.“
„Ich glaube, für einen Neuanfang ist es nie zu spät. Magda lebt noch immer allein.“
„Ja, das ist mir bekannt. Wir telefonieren ja ab und zu miteinander.“
„Denk drüber nach, Papa, aber warte nicht mehr so lange, hörst du! Ihr seid ja beide keine Teenager mehr.“ Kira lachte.
„Da hast du wohl recht. Okay, ich werde mir die Geschichte noch mal in aller Ruhe durch den Kopf gehen lassen. Vielleicht starte ich ja tatsächlich noch einmal einen Versuch bei ihr – und vielleicht habe ich sogar Glück. Sie ist eine tolle Frau, und ich war wirklich dumm damals. Ich dachte schon daran, sie mal wieder nach Hamburg einzuladen. Das Sommerfest wäre doch eine gute Gelegenheit, was meinst du?“
„Ja, das ist eine großartige Idee. Ich drücke dir jedenfalls die Daumen, Papa.“
„Gut, mein Engel, dann schlaf schön. Melde dich ruhig zwischendurch mal bei mir, in Ordnung?“
„Ja, das werde ich, versprochen! Schlaf du auch schön, und liebe Grüße an Werner.“
„Werde ich ausrichten. Ich hab dich lieb, meine Kleine.“
Noch bevor Kira antworten konnte, hörte sie bereits das Klicken in der Leitung. Sie lächelte. Das war typisch für ihrenVater; er beschränkte sich meist auf das Wesentliche.
Ich war wirklich dumm damals, hatte ihr Vater gerade gesagt, und seine Worte klangen in Kira nach.
Für einen Moment behielt sie den Telefonhörer noch in ihrer Hand und überlegte, ob sie Finn einfach anrufen sollte, um ihm zu sagen, wie dumm sie heute Morgen doch gewesen war und wie sehr sie ihn schon jetzt vermisste. Aber dann schüttelte sie ihren Kopf über diese kindische Idee und legte den Apparat zurück auf den Couchtisch. Langsam erhob sie sich und warf einen Blick aus dem Fenster. Fröstelnd verschränkte sie die Arme vor der Brust. Der Wind hatte offenbar aufgefrischt, und die Dämmerung brach gemächlich über Sameland herein.
„Ich sollte mir lieber endlich etwas zu essen machen“, flüsterte sie vor sich hin.
In ihrem Kühlschrank herrschte inzwischen gähnende Leere, und sie beschloss, früh am nächsten Morgen zum Anleger hinunterzufahren, um bei Magda Quint ihre Vorräte aufzufüllen. Vorerst begnügte sie sich mit einem Rest Käse und einem Stück Baguette, das sie zum Aufbacken kurz in den Ofen schob. Hauptsache war, sie bekam endlich etwas in ihren Magen!
Als sie ihren leeren Teller wenig später in die Spülmaschine stellte, klingelte es an ihrer Haustür.
„Finn!“, sagte sie laut, und ein unerwartetes Glücksgefühl strömte sofort wärmend durch ihren Körper. Sie rannte regelrecht zur Tür und riss sie auf – aber es war nicht Finn Andersen, der dort in der Dunkelheit vor ihrer Tür stand.
Nachdem Lukas das Martinelli-Haus wieder verlassen hatte, um zu seiner Verabredung mit Anna zu gehen, räumte Finn noch kurz das Geschirr weg, schnappte sich seinen Teebecher und ging wieder nach oben in sein Schlafzimmer. Abermals fiel sein Blick auf das stumme Telefon. Er fluchte, nahm den Hörer von seinem Bett und legte ihn auf den Nachtschrank zurück, dann begann er sich auszuziehen, nahm auch seine Armbanduhr ab und warf sie zu seinen Sachen auf das Bett. Schließlich ging er hinüber ins Badezimmer. Eine schnelle, erfrischendeDusche würde ihm sicherlich guttun, bevor er sich in das entsetzlich einsame Bett legen musste, das heute Nacht auf ihn wartete.
„Möchtest du etwas trinken, Torben? Ich wollte mir gerade frischen Kaffee machen.“
„Nein, ich möchte nur mit dir reden, Kira, nur mit dir reden.“ Sein hellblauer Blick fixierte sie.
Nachdem sie tapfer die Enttäuschung hinuntergeschluckt hatte, dass es sich bei dem Besucher nicht um Finn handelte, war sie jetzt fast froh, Torben gegenüberzustehen. Die
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