Beruehre meine Seele
können. Er muss wirklich verzweifelt sein. Oder er plant, Eastlake zu verlassen und sich seine Opfer auf einem anderen Campus zu suchen.“
„Kaylee, ich glaube wirklich nicht, dass er so etwas tun würde“, beharrte Emma, und ich verdrehte nur die Augen.
„Wach auf, Em. Er ist der Böse.“
„Vielleicht hat Sabine ihn ja falsch gelesen. Oder wir haben die Beweise falsch ausgelegt …“
„Emma …“, setzte ich besorgt an.
„Sorry, ich weiß. Er … er fühlt sich einfach nicht böse an.“
„Wie fühlt er sich denn an?“ Die Faszination konnte ich ja verstehen, schließlich war ich nicht blind, aber eine solche Besessenheit? Bei mir wirkte sein Bann jedenfalls nicht.
„Er fühlt sich … er macht süchtig.“ Sie legte die Hand auf den Bauch, und ihre Schultasche rutschte dabei vor, aber sie schien es nicht zu bemerken. „Wenn er dich ansieht, fühlst du dich wahnsinnig gut. Wie in einem warmen goldenen Licht. Du willst bestimmte Dinge, und du weißt, dass er sie dir geben kann. Wenn er dann den Blick von dir abwendet, bist du bereit, alles zu tun, nur damit er dich wieder ansieht, damit du wieder diese Hitze spürst.“ Em blieb stehen und sah mich stirnrunzelnd an, so als könnte sie nicht glauben, was sie sagen wollte. „Ich habe dich gehasst, als du reingekommen bist“, gestand sie, als würde es ihr wehtun, die Worte auszusprechen. Und ich musste zugeben, dass es mich tatsächlich ein bisschen verletzte, die Worte von ihr zu hören. „Ich hasste dich, als er dich ansah und nicht mich.“
„Ich will nichts von ihm, Em. Und du auch nicht.“ Sie so von ihm reden zu hören, von einem Lehrer, den sie bisher fast nie erwähnt hatte, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.
„Aber ich will ihn, Kaylee. Und das ist ja das Erschreckende.“ Sie ging weiter, und ihre Worte schwebten regelrecht durch die Luft. „Ich weiß, es wäre besser, die Finger davon zu lassen, und trotzdem will ich ihn.“
„Emma.“ Ich zwang sie, stehen zu bleiben, und sah ihr fest in die Augen. „Du musst dich dagegen wehren. Du bist die Fliege, und er ist der Honig. Oder die Venusfalle, um eine andere Metapher zu nutzen. Auf jeden Fall bist du die Fliege, und die Fliege gewinnt nie.“
Fragend schaute sie mich an. „Und was bist du dann?“
„Ich bin der Essig. Oder der Rasenmäher, wenn du so willst. Ich werde ihn absägen. Und dich lasse ich nicht noch einmal mit ihm allein.“
Emma blinzelte, ihr Blick klärte sich etwas, und eine tiefe Falte erschien auf ihrer Stirn, so als versuchte sie, sich an einen schwammigen Traum zu erinnern. „Da wir das gerade ansprechen … hast du wirklich getan, was ich glaube, dass du es getan hast? Ich meine, da hinten.“ Sie deutete mit dem Kopf zum Gebäude zurück, zu Becks Zimmer.
„Wenn du glaubst, ich hätte durchblicken lassen, dass du und ich und unser heimtückischer Mathelehrer einen Dreier veranstalten könnten … ja, das ist genau das, was ich angedeutet habe.“
„Von wegen angedeutet.“ Mit einer Hand kramte sie den Autoschlüssel aus ihrer Tasche. „Du hast es ihm praktisch verbindlich zugesagt! Mann, Kaylee, das hätte ich dir gar nicht zugetraut.“
„Die Dinge haben sich geändert.“ Damit ging ich weiter, und sie beeilte sich, um mich einzuholen.
„Welche Dinge?“
„Ach, nichts …“ Ich zog ebenfalls meinen Autoschlüssel hervor, als wir uns den Wagen näherten.
„Oh nein, so leicht kommst du mir nicht davon.“ Sie schloss mit der Fernbedienung auf und deutete auf die Beifahrerseite. „Steig ein. Du kannst mir alles von diesen geänderten Dingen auf der Fahrt zum Kino erzählen. Ich bringe dich nachher zu deinem Wagen zurück.“
„Ich gehe nicht zur Arbeit, Em.“
„Okay, das reicht.“ Sie schlug die Fahrertür wieder zu und legte die Arme auf das Wagendach. „Was ist los mit dir? Keine Hausaufgaben, Arbeit blaumachen, Wutausbrüche beim Lunch, einem Lehrer vorschlagen, er könnte mit uns beiden … Ich weiß, er ist böse, aber das ist einfach nicht dein Stil. Du benimmst dich ja … wie Sabine.“
„Das ist nicht lustig.“
„Genau das meine ich ja. Was läuft hier, Kaylee?“
Ich atmete tief durch, dann sah ich sie über das Wagendach hinweg an. „Wenn du einen detaillierten Bericht hören willst, kommst du zu spät zur Arbeit.“
Sie zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Wenn du nicht gehst, geh ich auch nicht.“
Ich wollte widersprechen, überlegte es mir jedoch anders. Wer war ich denn, dass ich ihr
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