Beruehre meine Seele
schafften gerade den ersten Alien -Film, bevor die Bombe, die ich hatte platzen lassen, zu viel für Dads Geduld wurde. Er entschuldigte sich und ging, um seinen Bruder anzurufen. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Die Anwesenheit eines Inkubus, der in der lokalen Bevölkerung auf Beutezug ging, wog schwerer als die Vater-Tochter-Qualitätszeit, die so oder so bald auslaufen würde.
Dad telefonierte von seinem Zimmer aus, und so saß ich auf meinem Bett und versuchte, so viel wie möglich von dem mitzubekommen, was er offensichtlich erst allein besprechen und überdenken wollte, bevor er es mir mitteilte. Nur war das bei geschlossenen Türen nicht leicht.
„Nein, wir wissen nur wenig, und wir haben noch weniger Zeit“, hörte ich meinen Dad sagen. Er erzählte Brendon von meinem Datum, und ich hörte die beiden ein Familienessen für morgen Abend planen, der letzte Abend, an dem ich unter den Lebenden weilte, und der Abend, den ich verplant hatte, um dem abgrundtief schlechten Inkubus-Lehrer das Ende zu bereiten. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie bizarr dieses Abendessen werden würde, vor allem wegen Cousine Sophies seliger Unwissenheit über nicht-menschliche Angelegenheiten.
„Sie kennt weder seinen richtigen Namen noch weiß sie, wie alt er ist …“ Mein Vater schwieg, ich nahm an, dass er meinem Onkel am anderen Ende der Leitung zuhörte. „Mathematik. Frag doch mal Sophie, ob sie auch Unterricht bei ihm hat.“
Hatte sie nicht. Das wusste ich bereits.
„Ich weiß, aber machen wir uns keine Sorgen über ungelegte Eier.“ Ich hörte Dads Matratze quietschen und konnte mir bildlich vorstellen, wie er vornübergebeugt auf der Bettkante saß. Danach hörte ich allerdings nichts mehr, denn mein Handy vibrierte in meiner Tasche. Ich holte es hervor und las die Nachricht von Todd.
Kann ich vorbeikommen?
Plötzlich hatte ich das Gefühl, meine Lungen würden in Flammen stehen. Wie damals, als ich als kleines Mädchen auf der großen Schaukel durch die Luft geschwungen war. Dieses Gefühl des freien Falls war beängstigend und aufregend zugleich. Ich fühlte mich in dem Moment unglaublich lebendig.
Sicher. In meinem Zimmer , textete ich zurück.
Nur einen Sekundenbruchteil später stand Todd mitten in meinem Zimmer. Dass er vorher nachfragte und sich anmeldete, war nur ein Teil der Dinge, die sich geändert hatten.
„Hey“, sagte er und schob die Hände in die Jeanstaschen. Er betrachtete mich eingehend, so als wüsste er nicht recht, wie er sich jetzt mir gegenüber verhalten sollte, und wartete auf ein Zeichen von mir. Dumm nur, dass ich genau das Gleiche tat.
„Hey.“ Ich setzte mich in den Schneidersitz. Zu gern wollte ich ihn berühren oder ihm irgendwie anders bestätigen, dass etwas zwischen uns passiert war. Gleichzeitig fühlte ich mich schuldig deswegen – weil ich etwas tun wollte, das Nash verletzen würde.
„Ich muss dir etwas sagen.“ Todd senkte den Blick, er wirkte aufgewühlter, als ich ihn je gesehen hatte. Das Brennen in meiner Brust wurde zu einem erlöschenden Glühen von Resignation und Enttäuschung, Empfindungen, zu denen ich kein Recht hatte.
Ich wusste, wohin das führen würde. Nash war sein Bruder, sein eigen Fleisch und Blut. Und Nash würde noch die nächsten dreihundert Jahre hier sein, also noch lange, wenn die Erinnerung an mich bei beiden längst verblasst sein würde. Es war nur natürlich, dass er sich für seinen Bruder und nicht für mich entscheiden würde. Wie sollte er das nicht tun? Und wie sollte ich mir nicht Frieden zwischen den beiden wünschen, vor allem, wenn man bedachte, dass sie außer Harmony und vielleicht noch Sabine sonst niemanden mehr hatten? Todd und Nash würden nie beste Freunde sein, aber Brüder würden sie immer bleiben. Und wer war ich, dass ich einen Keil zwischen die beiden trieb?
Todd stieß langsam die Luft aus, und mehr, als ihn stumm anzusehen und darauf zu warten, dass er mir das Herz brechen würde, konnte ich nicht tun. Konnte man von einem gebrochenen Herzen sterben? War das vielleicht die Art, auf die ich dahinscheiden würde?
„Ich sollte dich nicht wollen, Kaylee. Nicht so.“ Verzweiflung wirbelte in seinen blauen Augen, und mein Herz begann prompt, schneller zu schlagen. „Vor zwei Jahren habe ich eine Entscheidung getroffen und damit jedes Recht auf Wünsche aufgegeben.“
Ich war nicht sicher, was er damit meinte, aber ich würde ihn auch nicht unterbrechen. So hatte bisher noch niemand mit mir
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