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Beruehre meine Seele

Beruehre meine Seele

Titel: Beruehre meine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Vincent
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gesehen, obwohl er mir ziemlich gut genährt zu sein schien.
    Ich blieb unschlüssig im Eingang stehen und konnte mich nicht so recht entscheiden, ob ich mich einfach an den Tisch setzen oder warten sollte, bis Sabine mir einen Platz anbot. Was vermutlich eher nicht passieren würde. „Weil …“ Ich zögerte und versuchte, meine Gedanken zu ordnen, während Sabine eine Dose irgendeiner Billigbrause aus dem giftgrünen Kühlschrank holte. Dann atmete ich noch einmal tief durch und sprach es einfach aus. „Weil ich in fünf Tagen tot sein werde, und ob es mir gefällt oder nicht, wirst du danach diejenige sein, bei der Nash in seiner Trauer Halt suchen wird. Was bedeutet, ich tue praktisch dir einen Gefallen.“ Wenn mein Tod irgendjemandem nützte, dann war es Sabine. „Das heißt, du schuldest mir was. Und da mein Zeitplan ein wenig eng ist, wie du inzwischen weißt, muss ich auf Bezahlung im Voraus bestehen.“
    Sabine öffnete die Dose in ihrer Hand und starrte mich skeptisch an. „Du wirst sterben? Ohne Scheiß jetzt?“
    „Nicht vor Donnerstag.“ Anfangs hatte sich mir bei diesem Gedanken jedes Mal der Magen umgedreht und ich wollte ihn dann einfach nur so schnell wie möglich wieder verdrängen. Aber nachdem ich mein bevorstehendes Dahinscheiden ungefähr tausend Mal von allen Seiten beleuchtet, endlos darüber gebrütet und sinniert hatte, war meine ursprüngliche Furcht einer ruhigen, aus der Resignation geborenen Akzeptanz gewichen. Wenn ich jetzt an meinen eigenen Tod dachte, hatte das so ziemlich denselben Effekt auf mich wie das Wissen, dass eines sehr, sehr fernen Tages unser Planet Erde mitsamt allem, was darauf lebte, durch die Sonne vernichtet werden und verglühen würde.
    „Du lügst.“ Sabine lachte, als wäre dies eine Comedyshow und ich der Stargast, der gerade den Witz des Jahrhunderts erzählt hatte. Dann nahm sie einen kräftigen Zug aus ihrer Limodose und schlenderte mit unbeeindrucktem Gesicht an mir vorbei zurück ins Wohnzimmer.
    Ich folgte ihr und setzte mich auf die Armlehne von einem der hässlichsten, altmodischsten Fernsehsessel, den ich jemals gesehen hatte. „Warum sollte ich lügen?“
    Sie hob die Schultern und stellte ihre Dose auf die leere hölzerne Getränkekiste, die als Beistelltisch diente. „Gewohnheit? Du bist nicht gerade ein Quell der reinen Wahrheit.“
    Ich wollte ihr widersprechen, doch wenn ich es leugnete, manchmal zu flunkern, wäre das auch eine Art Lüge gewesen und ich hätte Sabine damit recht gegeben. Zu meiner Verteidigung: Meine Lügen waren im Grunde eher Halbwahrheiten, und außerdem machte ich nur davon Gebrauch, um jemandem zu helfen. Wohingegen Sabines brutale Ehrlichkeit meistens darauf abzielte, ihr Gegenüber zu verletzen, oder sie einfach ihrer Unterhaltung diente.
    „Ich lüge nicht.“ Als ich tief durchatmete, musste ich beinahe würgen, weil mir der ekelhafte Geruch von kaltem Zigarettenrauch in die Nase stieg, der in den vergilbten Gardinen und Möbeln hing. Und dann kam, zusammen mit einem Keuchen, um die stinkende Luft aus meinen Lungen zu bekommen, ein Angebot über meine Lippen, das ich wirklich nicht hatte machen wollen. „Lies mich.“
    Sabine setzte sich aufrecht hin, ihre schwarzen Augen funkelten plötzlich sehr interessiert. „Ernsthaft?“
    Nein . Ich schauderte und schluckte dennoch meine Angst herunter. „Wenn es nötig ist, um dich zu überzeugen, dass ich die Wahrheit sage.“
    Sie zuckte mit den Achseln. „Das Angebot allein hat mich schon überzeugt. Aber leider kannst du es jetzt nicht mehr zurücknehmen.“ Sie durchquerte mit wenigen Schritten den kleinen Raum, und mein Kiefer verkrampfte sich unwillkürlich, als sie sich vor mich auf den Boden kniete. „Du weißt, dass ich dich dazu berühren muss, ja? Je intensiver der körperliche Kontakt, desto klarer das Bild.“
    „Toll.“ Ich streckte die Hand aus, und Sabine schlang die Finger um meine, wie sie es einmal bei Nash getan hatte, als keiner von beiden wusste, dass ich sie heimlich beobachtete. Bei ihnen hatte es sehr harmonisch ausgesehen. Vertraut. Ich fragte mich, ob das hier auf einen Außenstehenden genauso wirken würde.
    Ich wollte die Augen schließen, doch Sabine schüttelte schnell den Kopf und beugte sich dichter zu mir vor. Ihre Hand war warm und trocken, ihr Griff fest. Und während ich ihren Blick erwiderte, kam es mir vor, als würden ihre Pupillen langsam, wie in Zeitlupe, mit der fast schwarzen Farbe ihrer Iris verschmelzen und der

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