Beruehre meine Seele
zurückgeben.“ Das meinte ich wirklich ernst. Ich hatte vergangene Nacht so gut wie überhaupt keinen Schlaf bekommen – irgendwie fühlte es sich fast wie ein Verbrechen an, den Rest meiner wenigen Zeit mit Schlafen zu vergeuden –, und jetzt zahlte ich den Preis dafür: Tränensäcke, fahler Teint und eine alles in allem ziemlich fertige Erscheinung. Sabine dagegen schlief nie mehr als ein paar Stunden pro Nacht, mehr brauchte sie auch nicht, und blieb trotzdem stets die gleiche – auf ihre unkonventionelle Weise – sowohl scharfe als auch geheimnisvolle Braut, bei der männliche Wesen automatisch anfingen zu sabbern. Eine Tatsache, die mich ebenso faszinierte wie ärgerte, seit ich Sabine kannte.
„Du bist nicht zufällig hier, um dich geschlagen zu geben und mir Nash freiwillig zu überlassen, wie es sich für eine wohlerzogene kleine Banshee, die du doch im Grunde deines Herzens bist, gehört?“
Ich spürte die Wut in mir hochkochen, aber ich behielt mich unter Kontrolle, denn natürlich war ich nicht aus Spaß hier, sondern weil ich etwas von Sabine wollte. „Um ehrlich zu sein, möchte ich dich um einen Gefallen bitten.“
Sabine drehte sich um und stapfte wortlos zurück in das dunkle Haus, woraufhin ich beschloss, die noch immer offene Tür als Einladung zu werten und der Mara zu folgen.
„Ist deine Pflegemutter nicht zu Hause?“ Ich trat hinter ihr in ein sehr spartanisch eingerichtetes Wohnzimmer, in dem die wenigen abgewetzten Möbel einen vagen Geruch nach muffigem Schweiß verströmten.
„Ganz selten. Meistens hängt sie bei ihrem Typen rum und übernachtet auch da. Kommt aber immer pünktlich zurück, kurz bevor der Scheck mit ihrer Aufwandsentschädigung in den Briefkasten flattert, da ist Verlass auf sie.“
„Also bist du ganz allein?“
Sabine stemmte die Hände in die Hüften, die zwischen ihrer tief geschnittenen Jeans und dem dünnen schwarzen Top halb nackt waren. „Ich bin ein Albtraum, Kaylee. Jeder, der so dumm ist, hier einzubrechen, rennt ganz schnell schreiend wieder raus. Oder überhaupt nicht mehr.“ Sie setzte sich auf die Armlehne einer alten, braungelb gestreiften Couch. „Außerdem bin ich nicht wegen elterlicher Fürsorge hergekommen, sondern für eine Meldeadresse im Eastlake-Schulbezirk.“ Sie hatte sich in diese Pflegefamilie hineinmanipuliert und war sicherlich auch nicht davor zurückgeschreckt, ihre Fähigkeiten einzusetzen, nur um in Nashs Nähe sein zu können. Und mir den letzten Nerv zu rauben, wie es aussah. „Also, wenn du dann bitte beiseitegehen und mich den Preis für meine Mühen entgegennehmen lassen würdest …“
„Nash ist kein …“, begann ich, doch bevor ich den Satz beenden und ihr sagen konnte, dass mein Freund kein Preis war, den sie sich verdienen konnte, schallte ein tiefes Grollen durch das Zimmer, bei dem sich mir die Nackenhaare aufstellten. Ich drehte mich um, und da stand Sabines Hund – einer von Styx’ Wurfgeschwistern – in der Tür zur Küche, sein kleiner Körper angespannt, bereit zum Angriff, und knurrte mich drohend an. Eigentlich hätte man einem so handlichen und flauschigen Wesen niemals zugetraut, solche Geräusche von sich zu geben, doch dank ihrer väterlichen Unterwelthund-Gene waren die Kiefer dieser halben Portion mit gefährlichen messerscharfen Zähnen ausgestattet und konnten mit Leichtigkeit die meisten großen Knochen eines menschlichen Körpers durchbeißen.
„Wie heißt er noch mal?“, fragte ich, darauf achtend, keine schnellen oder falschen Bewegungen zu machen, solange Sabines kleines Monster mich derart fixierte.
„Cujo.“
Natürlich, Cujo. Wie hatte ich das vergessen können. „Irgendeine Idee, wieso Cujo mich anstarrt, als ob er mir gleich das Gesicht zerfetzen will?“
„Wahrscheinlich, weil er dir gleich das Gesicht zerfetzen will.“
„Sehr lustig. Pfeifst du ihn jetzt bitte zurück?“
Ihr zufriedenes Grinsen ging mir durch Mark und Bein wie das Kratzen von Fingernägeln auf einer Tafel. „Nur, weil ich neugierig bin. Warum zur Hölle sollte ich dir einen Gefallen tun, während du mir starrsinnig das Einzige, was ich will, nicht gönnst und alles daransetzt, dass ich es nicht kriege?“ Sie schnippte mit den Fingern, und Cujo folgte ihr in die schmale Küche, wo Sabine ein Paket rohes Hackfleisch aus dem Kühlschrank nahm und es auf den Boden fallen ließ, ohne vorher die Plastikfolie zu entfernen. Cujo stürzte sich sofort gierig darauf, als hätte er noch nie Fleisch
Weitere Kostenlose Bücher