Beruehre meine Seele
können.
„Bekommt Farrah eigentlich Besuch?“, fragte ich, schon allein, um sie von dem Reaper abzulenken. „Kommt sonst noch irgendjemand zu ihr?“
„Ihr Vater war ein Mal hier. Ihre Mutter ist tot. Ich habe das Gefühl, ihre Familie will nicht, dass jemand erfährt, wo sie ist. Oder was genau mit ihr los ist. Nun, verübeln kann ich es ihnen nicht.“
„Das Ganze ist so absolut ungerecht!“ Ich sah zu Farrah, und der Ärger in meiner Seele wurde wieder aufgewirbelt. „Wenn die anderen sehen könnten, mit wem sie redet, würden sie sie auch nicht für verrückt halten.“
„Oh, sie ist verrückt, daran besteht kein Zweifel.“ Lydia zog die Beine an. „Sie hört nur keine Stimmen. Und das Baby bringt sie langsam um.“ Sie rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht. „Ich nehme ihr ab, so viel ich kann, aber wenn das so weitergeht, bringt dieses Baby uns beide um.“
„Was nimmst du ihr denn ab?“, wollte Todd wissen, doch anstatt seine Frage zu beantworten, wandte Lydia sich an mich mit einer Gegenfrage.
„Erinnerst du dich?“
„Nein.“ Aber langsam kehrten die Bilder zurück. „Mir hast du auch etwas abgenommen. Schmerz.“ Angestrengt bemühte ich mich, die verschwommenen Erinnerungen greifen zu können. „Ich wollte unbedingt um eine andere Patientin klagen, der Schmerz saß tief in mir …“ Unwillkürlich fasste ich mir mit der freien Hand an den Hals, als das Echo der früheren Agonie wieder aufkam. Damals war es so viel schlimmer gewesen, als ich es noch nicht verstanden und nicht zu kontrollieren gewusst hatte. „Du hast mir den Schmerz abgenommen, das hat mir geholfen, das Klagen zurückzuhalten.“ Denn hätte ich es herausgelassen, wäre ich nie aus dieser Anstalt herausgekommen. „Dir habe ich es zu verdanken, dass sie mich entlassen haben …“
„Ich hab nur das getan, was mir möglich war“, behauptete Lydia bescheiden. „Aber für Farrah kann ich nicht mehr viel tun.“ Sie seufzte, und in dem Laut schwang ein Schmerz mit, der weit über das Physische hinausging. „Vielleicht hätte ich besser nichts tun sollen. Ohne meine Hilfe hätte sie das Baby schon am Anfang verloren, aber dann hätte sie wenigstens überlebt. Jetzt ist es zu spät für beide.“
12. KAPITEL
„Sie wird sterben?“ Meine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Ich konnte nichts anderes tun, als Farrah anzustarren. Sie blätterte noch immer Seite um Seite um, als wären wir gar nicht hier. Sie hatte uns völlig ausgeblendet, sobald wir angefangen hatten, uns mit Lydia zu unterhalten. Für sie waren wir dadurch offensichtlich „unreal“ geworden. „Bist du sicher?“, fragte ich nach, und Lydia nickte.
Todd studierte Farrah jetzt auch nachdenklich. „Wieso behalten sie sie dann hier, wenn sie so krank ist?“
„Tun sie ja gar nicht“, antwortete Lydia. „Wenn sie zu schwach wird, bringen sie sie rüber ins Memorial, aber mehr als sie künstlich zu ernähren können die Ärzte auch nicht für sie tun. Alle Untersuchungsergebnisse kommen negativ zurück. Sie können nichts finden und haben keine Ahnung, was mit ihr nicht stimmt. Manche von den älteren Schwestern meinen, dass sie ihren Lebenswillen verloren hat. Ich denke, damit liegen sie richtig.“
„Weil sie selbst nicht glaubt, dass sie noch lebt“, sagte ich, und Lydia nickte. „Aber da ist noch mehr. Es liegt an dem Baby.“ Davon war ich überzeugt. Die Bilder von Danica und Farrah glichen sich zu sehr. „Wärst du nicht gewesen, hätte Farrah ihr Baby verloren – genau wie Danica. Wie weit ist sie?“
„Die Schwestern sagen, in der achtundzwanzigsten Woche. Wieso?“ Lydia sah von mir zu Todd und wieder zurück zu mir. „Was soll denn mit dem Baby sein? Und wer ist Danica?“
„Danica ist eine Schülerin an unserer Schule. Ich glaube, ihr und Farrahs Baby haben denselben Vater.“ Ich wünschte, ich hätte das Bild von dem Lehrerkollegium mit „Mr Allan“ ausgedruckt und mitgebracht.
Moment … Abrupt drehte ich mich zu Todd um, mir genauestens bewusst, dass wir seit gut zwanzig Minuten Hand in Hand hier standen. „Kommst du mit deinem Handy ins Internet?“ Mit meinem ging das nicht.
Noch während er nickte, zog er das Handy aus der Tasche. „Ich gönn mir ja sonst nichts … und schließlich brauche ich keine Rechnungen zu bezahlen.“ Er gab mir das kleine Gerät, und es dauerte eine Minute, bevor ich die Seite fand, die ich gesucht hatte, vor allem, da ich nur eine Hand freihatte.
„Farrah“, sprach
Weitere Kostenlose Bücher