Beruehre meine Seele
dass ich jetzt wirklich verrückt werde.“
„Bist du sicher, dass du nicht verrückt bist?“, meldete sich Todd, und ich stieß ihm fest den Ellbogen in die Rippen. Es war wirklich unnötig, bei den Insassen Zweifel an der eigenen Zurechnungsfähigkeit zu säen, das übernahmen schon die Ärzte.
„So sicher, wie ich dich da stehen sehe“, erwiderte Farrahs Zimmergenossin und lachte dann wie über einen guten Witz. Ich fühlte mich nicht wohl bei der ganzen Sache. Irren-Witze gefielen mir nicht, so wie Emma nichts für Blondinen-Witze übrig hatte.
„Woher wusstest du, dass wir hier sind?“, fragte Todd. Sein Griff um meine Hand wurde fester, und mit argwöhnisch gerunzelter Stirn sah er das neu hinzugekommene Mädchen an.
„Weil Farrah nicht mit sich selbst redet. Um genau zu sein, sie redet mit niemandem. Zumindest mit keinem von den Leuten, die der Rest von uns sehen kann.“ Ihr Blick lag jetzt fest auf mir, und wieder hatte ich das Gefühl, dass sie nach etwas Bestimmtem in meinen Augen suchte. „Du erinnerst dich nicht an mich, oder?“
„Sollte ich?“, fragte ich zurück, und das mulmige Gefühl in mir blähte sich auf wie eine Wasserleiche in der Sonne.
Doch plötzlich wurde die vage Erinnerung von vorhin stärker und schärfer. Ich erinnerte mich … an etwas …
„Lydia“, wisperte ich, und sie nickte erfreut. Todd sah neugierig zwischen uns hin und her. „Du warst hier, als ich … Und du hast etwas mit mir gemacht … Du hast mir geholfen.“
„Zumindest habe ich es versucht“, gab sie zu, und ihr vorsichtiges Lächeln erstarb.
„Und jetzt bist du also mit Farrah zusammen auf einem Zimmer?“
„Ja. Die Schwestern waren der Meinung, sie täten uns damit einen Gefallen. Alle anderen finden es extrem lustig. Du weißt schon … die beiden Stummen auf einem Zimmer.“ Sie ließ sich auf die Kante ihres Bettes fallen und sah uns an.
„Weil Farrah nur mit ‚realen‘ Leuten redet, und du … Du hast auch nicht geredet, als ich hier war.“ Oder doch? Meine Erinnerung an Lydia war nur verschwommen, doch ihre Stimme war mir vertraut. Ein verwirrendes Rätsel, das ich nicht lösen konnte. Und das wiederum bereitete mir ernsthafte Sorgen. Vielleicht hatte ich doch noch nicht mit Lakeside abgeschlossen …
Lydia zuckte mit den Schultern. „Ich sag nicht viel, vor allem nicht zum Pflegepersonal. Die neigen nämlich dazu, meinen Aufenthalt hier zu verlängern, sobald ich den Mund aufmache. Aber ihr gehört ja nicht zum Personal.“
„Vielleicht kann sie uns mit Farrah helfen“, schlug Todd vor, und Lydias Augen leuchteten neugierig auf.
„Wir wollen so viel wie möglich über den Vater ihres Babys herausfinden.“ Ich wünschte, ich könnte mich setzen. Aber ich wollte Todds Hand auf keinen Fall loslassen, denn ich hatte nicht vor, mich von der nächsten Schwester, die den Gang entlangkam, sehen zu lassen. „Weißt du vielleicht, wer er ist?“
Lydia schüttelte den Kopf. „Manchmal redet sie mitten in der Nacht mit jemandem. Nur kann ich ihn nicht sehen. Aber aufgrund der Dinge, die sie dann sagt, nehme ich mal an, dass er es ist.“ Mit geröteten Wangen starrte Lydia jetzt auf den Boden, und ich konnte mir vorstellen, dass sie einiges mitbekommen haben musste, selbst wenn sie nur die eine Seite der Konversation hörte. „Als ich gerade hier reinkam, dachte ich zuerst, sie würde wieder mit ihm reden, aber da habe ich mich ja nun getäuscht. Es sei denn, du …?“ Sie sah fragend zu Todd, der prompt wie wild den Kopf schüttelte. Fast hätte ich gelacht.
„Wenn du ihn nie gesehen oder gehört hast, wie kannst du dann wissen, dass er wirklich hier war?“
Auf Todds Frage hin sah Lydia ihn stirnrunzelnd an. „Ich weiß das, weil sie mit ihm redet, wie sie mit euch geredet hat. Und ihr seid ja wirklich hier, oder nicht?“ Lydia drehte sich zu mir. „Wie ist euch das überhaupt gelungen? Du bist eine Banshee, richtig? Banshees können sich nicht unsichtbar machen.“
Sie wusste also, was ich war, hatte es wahrscheinlich schon gewusst, bevor ich es erfahren hatte, damals, als man mich im Lakeside untergebracht hatte.
„Ich bin ein Reaper“, lieferte Todd die Erklärung. Lydia riss die Augen auf, das erste Anzeichen von Angst bei ihr. „Keine Sorge“, fügte er eilig hinzu. „Ich bin nicht im Dienst.“
Sie nickte stockend, so als würde sie ihm nicht wirklich glauben. Vermutlich war er ihr sympathischer gewesen, als sie ihn noch nicht hatte sehen
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