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Beruehre meine Seele

Beruehre meine Seele

Titel: Beruehre meine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Vincent
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„Weil du real bist. Und alles, was real ist, muss auch sterben.“
    Mir wurde immer unheimlicher zumute. Ich stand auf und trat vom Bett zurück, und Farrah beugte den Kopf wieder über ihr Buch, als wäre ich nicht da. Einen Moment lang beneidete ich sie um die Fähigkeit, mühelos alles auszublenden, was sie nicht wahrhaben wollte, und einfach weiterzumachen, als ob nichts wichtig wäre. Anfangs hatte ich geglaubt, mit der Nachricht über meinen bevorstehenden Tod würde ich diese Fähigkeit ebenfalls erhalten, aber je weniger Zeit mir blieb, desto mehr Dinge schienen noch erledigt werden zu müssen. Und alles davon war so wichtig …
    Meine Nervosität wurde immer stärker. Ich ging zur Tür und zog sie ein Stückchen auf, um einen Blick in den Gang zu werfen. Er war leer. Als ich auf meine Uhr sah, stellte ich fest, dass Todd bereits gute fünf Minuten weg war. Wie lange konnte es dauern, sich auf den Parkplatz und wieder zurück zu blinzeln? War womöglich irgendetwas passiert?
    Todd würde mich niemals hier zurücklassen. Nicht, wenn er eine Wahl hätte.
    Weitere fünf Minuten später hatte ich sämtliche Sachen von Farrah durchgesehen, ohne dadurch etwas Nützliches herauszufinden. Ich spürte, dass ich unbedingt aus diesem Raum wegmusste. Mit jeder Sekunde, die verging, wuchs die Wahrscheinlichkeit, dass eine Schwester kommen würde, um nach Farrah zu sehen. Ich durfte mich unter keinen Umständen hier in Lakeside erwischen lassen, schon gar nicht in einem Zimmer, dessen zweite Bewohnerin plötzlich unauffindbar war.
    Ich musste etwas unternehmen. Also streifte ich die Schuhe ab, zog den weißen Bademantel, den Lydia zurückgelassen hatte, über und das Haargummi aus meinem Pferdeschwanz. Ich schüttelte das Haar, sodass es mir wirr ums Gesicht hing, dann kniete ich mich ein letztes Mal vor Farrahs Bett hin.
    „Kennst du Scott Carter?“, fragte ich, und sie nickte.
    „Wie … äh …?“ Es gab keine höfliche Möglichkeit, danach zu fragen, wie verrückt jemand war. „Wie geht es ihm?“
    Langsam hob sie den Kopf und sah mich an, mit einem Ausdruck in den Augen, wie ich ihn so klar bei ihr noch nicht gesehen hatte. „Er ist real, nur weiß er das nicht. Sag’s ihm also nicht. Vielleicht will er gar nicht wissen, dass er sterben muss.“
    Da waren wir dann schon zu zweit.
    „Danke, Farrah.“ Ich richtete mich wieder auf und sah noch einmal zu ihr hinunter. Ich wünschte, ich könnte etwas für sie tun, doch es gab nichts. Dann holte ich tief Luft, zog die Tür auf und trat in den glücklicherweise leeren Korridor.
    Ich war genau vier Schritte gegangen, als hinter mir eine Tür geöffnet wurde und ich das Quietschen von Gesundheitsschuhen auf dem PVC-Boden hören konnte. Ich drehte mich nicht um. Solange derjenige, der hinter mir war, mir nicht forschend ins Gesicht sehen konnte, würde ihm auch nicht auffallen, dass ich nicht hierher gehörte. Mit nackten Füßen und in Lydias weißem Bademantel hätte ich irgendeine von den vielen brünetten Patientinnen sein können – eine Tatsache, die mich so sehr erschütterte, dass meine Hände zu zittern begannen. Mir blieb nichts anderes übrig, als sie in die Taschen des Bademantels zu schieben.
    Bei jedem Schritt hämmerte mein Herz wie verrückt. Als ich dann in den Aufenthaltsbereich trat, traf mich eine Welle der Beklemmung wie eine Attacke der Verteidigungslinie des Eastlake-Footballteams. Das Licht war viel zu grell, der Fliesenboden schien sich bis in die Endlosigkeit zu erstrecken. Die herumlaufenden Leute erschienen mir wie lebende Tretminen, denen ich ausweichen musste, ohne dass es so aussah, als würde ich ihnen aus dem Weg gehen.
    Als ich am Fernsehraum vorbeigekommen war, lockerte ich die zu Fäusten geballten Hände. Hinter dem Speisesaal atmete ich zum ersten Mal vorsichtig aus. Den Blick von meinen Fußspitzen zu heben wagte ich allerdings erst, als ich die Schwesternstation passiert hatte, ohne dass Alarm ausgelöst wurde. Doch selbst dann hörte ich noch den Puls in meinen Ohren rauschen. Jeder Herzschlag schien die Sekunden abzuzählen, bis man mich erwischen würde …
    Neben der Tür des Gäste-WCs lehnte ich mich an die Wand und sah mich verstohlen um, ob mich vielleicht jemand beobachtete. Nein, niemand sah zu mir hin, aber mein Glück würde sicher nicht ewig andauern, und von Todd fehlte noch immer jede Spur. Wenn ich mit Scott reden wollte, war ich auf mich allein gestellt, zumindest bis Todd endlich auftauchte. Ich lugte um die

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