Beruehre meine Seele
Ecke und begann still zu zählen. Mein Countdown begann bei drei, und mit jeder Zahl, die ich herunterzählte, versuchte ich auch, meinen Puls bewusst zu senken.
Als ich bei null ankam, sah ich mich noch einmal um, dann bog ich um die Ecke in den Korridor, der in den Männerflügel führte. Scotts Zimmertür stand offen, ich konnte ihn reden hören, aber nicht sehen. Ich wusste also nicht, mit wem er sprach. In einem plötzlichen Anfall von Mut – oder Verzweiflung – rannte ich über den Gang und in sein Zimmer, drückte die Tür ins Schloss und drückte mich atemlos und erleichtert mit dem Rücken dagegen.
„Was hat sie hier verloren?“ Scott hatte ein Einzelzimmer. Er saß an seinem Schreibtisch und starrte zu mir hin. Wüsste ich nicht, wo er war und weshalb er hier war, hätte ich niemals vermuten können, dass etwas nicht mit ihm stimmte. Er trug Jeans, wie immer, und ein T-Shirt mit dem Namenszug einer Band, von der ich noch nie gehört hatte. Er sah auch aus wie immer, nur vielleicht ein wenig dünner und ein wenig blasser als beim letzten Mal, als ich ihn gesehen hatte. Natürlich, er nahm ja auch nicht mehr an dem Footballtraining draußen in der Sonne teil.
Doch bis auf die Tatsache, dass er in Lakeside einsaß und mit sich selbst redete – oder vielleicht auch mit niemandem –, hätte ich wirklich annehmen können, dass er … völlig normal war.
„Siehst du sie?“, sagte er, wobei er mich noch immer anstarrte, aber scheinbar mit jemand anderem redete. Er wirkte verwirrt, aber nicht wirklich überrascht, und automatisch fragte ich mich, wie oft wohl unangemeldet und ohne Erklärung Mädchen in seinem Zimmer auftauchten. „Sie ist nicht real!“ Er schloss die Augen und versetzte sich einen Faustschlag gegen die Schläfe. Ich sog scharf die Luft ein. „Wenn sie nicht real ist, ich sie aber trotzdem sehe, heißt das dann, dass ich zu Recht hier einsitze?“ Er schlug sich ein weiteres Mal selbst, und ich zuckte zusammen, wusste aber nicht, was ich tun sollte. „Nein, nein, nein. Nicht weil du Dinge siehst, bist du verrückt, sondern weil du Dinge hörst. Also rede gefälligst nicht mit mir!“, sagte er laut, öffnete die Augen wieder und funkelte die Wand neben mir wütend an.
„Scott?“, sagte ich leise, und sein Kopf ruckte so schnell herum, dass ich Angst hatte, er würde sich den Hals verrenken.
„Neinneinneinneinnein! Du redest nicht, denn du bist gar nicht hier. Ich kann dich auch weder sehen noch hören. Denn sollte ich dich sehen und hören können, hieße das ja, dass ich verrückt wäre. Aber ich bin nicht verrückt, richtig?“ Noch immer starrte er auf den Punkt an der Wand, als wartete er auf eine Antwort. Und was er zu hören bekam, musste ihn zufriedenstellen, denn er nickte entschieden und drehte sich dann um, um auf seinen Schreibtisch zu starren.
Er tat mir unendlich leid.
Scott Carter und ich hatten einander nie besonders nahegestanden. Um genau zu sein, bevor die Frost-Sucht ihm den Verstand raubte, hatte ich ihn immer für oberflächlich, unhöflich, verwöhnt, arrogant und egoistisch gehalten. Aber er war nun mal der beste Freund meines Freundes gewesen und der Freund meiner Cousine, und so hatten wir recht häufig miteinander zu tun gehabt.
Doch wenn ich ihn jetzt so sah, wie er sich selbst davon zu überzeugen versuchte, dass ich nicht realer war als derjenige, mit dem er sich unterhielt, war es schwierig, etwas anderes als Mitgefühl und Sympathie für den Jungen zu empfinden, der einst zu der angesagtesten Clique auf der Eastlake High gehört hatte.
„Ich bin real, Scott. Und ich bin auch wirklich hier.“
Wie ein trotziges Kleinkind hielt er sich die Ohren zu und schüttelte wild den Kopf. „Genau das würde eine Halluzination behaupten. Glaubst du wirklich, darauf falle ich herein, nur weil du aussiehst wie Kaylee und dich anhörst wie Kaylee? Kaylee Cavanaugh sehe ich tagtäglich, ich weiß genau, dass sie nicht real ist. Deshalb kannst du auch nicht real sein. Du bist nur wieder einer von seinen Tricks. Wieso redest du überhaupt?“
Wie? Er sah mich jeden Tag?
Ich war mir wirklich nicht sicher, was ich davon halten sollte, als regelmäßiger Gaststar in Scott Carters halluzinogener Existenz aufzutreten. Aber es war nicht seine Schuld. Aufgrund der untrennbaren Verbindung mit Avari konnte der Dämon Scott hören und sehen lassen, was immer er wollte, und je mehr Scott litt, desto üppiger war Avaris Büfett gedeckt.
Wenn man bedachte, wie wirr der
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