Beruehrt
konnte sie die ganze Drogengeschichte auch nachvollziehen. Die Versuchung musste groß sein, sich nach einer Geschichte wie der mit Amelia betäuben zu wollen. Inzwischen war sie sich ziemlich sicher, dass auch Caleb in Amelia verliebt gewesen war, so heftig wie er reagiert hatte. Und wenn einem »die Szene«, wie er es nannte, das Zeug auf dem Präsentierteller vor die Nase hielt … es war ihm fast schon hoch anzurechnen, dass er sich nicht auf Koks, Amphetamine oder anderen Chemiemüll eingelassen hatte. Aber dass er ihr einfach so Marihuanatee untergemogelt hatte, das war ganz schön krass, die Diskussion war nur aufgeschoben.
Amelia … vielleicht hatte Calebs Ausraster ja sogar einen Vorteil und sie konnte heimlich noch ein bisschen stöbern. Schon allein bei dem Gedanken daran kam sie sich ziemlich hinterhältig vor. Nein, sie musste ihn ansprechen, ganz direkt.
Während sie ausreichend Verbandsmaterial für ein halbes Bataillon zusammengesucht hatte, musste sich Caleb aufs Bett geschleppt haben und dort eingenickt sein. Rachel schmunzelte, er schnarchte leicht und sah trotz allem zum Anbeißen aus – jedenfalls aus Vampirsicht. Selber konnte sie sich gerade noch beherrschen.
Er wurde auch nicht wach, als sie die Jodtinktur großzügig auf den Schnitt träufelte. Ein Glück für ihn. Drei Klammerpflaster und eine ordentliche Schicht Mullbinde später kümmerte sie sich um die Scherben und kippte den Rest Tee – immerhin eine halbe Kanne – mit gerümpfter Nase in den Ausguss. Sie kam sich ziemlich spießig dabei vor, aber vielleicht wurde ja zumindest der ein oder andere Fisch noch ein wenig high davon.
Caleb stöhnte leise im Schlaf. Rachels Blick fiel auf seine blutbefleckte Jeans, die sie ihm nicht ganz ohne Neugier aufknöpfte und abstreifte. Bei einem im Schlaf erschlafften Körper war das allerdings ein ganzes Stück Arbeit und weniger erotisch.
»Hast du noch was vor?«, murmelte Caleb plötzlich. »Darf ich mitmachen?«
Er bewegte sich. Rachel wurde rot und deckte ihn schwungvoll mit der Bettdecke zu.
»Du hast genug angerichtet heute, bleib, wo du bist«, mahnte sie und flüchtete mit der Hose in Richtung Badezimmer. Sie drückte die Jeans ins Waschbecken, richtete einen Strahl eiskaltes Wasser auf den Schritt und dachte bei sich, dass das nicht nur der Hose, sondern auch ihrem Träger guttun würde.
Sie beschloss zu beichten, jetzt oder nie. Das würde Caleb garantiert auf andere Gedanken bringen. Als sie zurückkehrte, nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und platzte heraus: »Amelia und du. Wart ihr ein Paar? Ich hab das Foto und die Zeitungsausschnitte gefunden.«
Caleb machte sich nicht die Mühe zu leugnen. Stattdessen verfinsterte sich sein Gesicht. »Hier?«, fragte er knapp.
»Quatsch, im Probenraum, als ich die Sektgläser gesucht habe. Ich wühle doch nicht deine Sachen durch!«, widersprach sie empört und wurde ein bisschen rot, als sie sich ihre kurze Versuchung eingestand. Dann bohrte sie weiter. Sie schien ja richtig zu liegen. »Du musst nicht drüber reden. Es ist mir auch vollkommen gleichgültig, ob du sie Grayson ausgespannt hast oder er sie dir oder was auch immer … Und die anderen haben auch brav dichtgehalten über euer großes Geheimnis. Du brauchst also nicht sauer auf sie zu sein. Ich hab's alleine rausgekriegt und mehr will ich im Grunde gar nicht wissen.«
»Was …?« Caleb versuchte, sie zu unterbrechen, aber Rachel redete einfach drauflos. »Es geht mich auch nichts an, ich weiß. Trotzdem kann ich mir gut vorstellen, was das für ein Schock gewesen sein muss, sie zu verlieren. Aber Drogen sind echt keine Lösung. Hör auf damit, okay?«
Caleb ließ sich zurücksinken und starrte schweigend an die Decke. In seinem Kopf schien es zu arbeiten. Das genügte Rachel. »Ich geh dann jetzt«, verkündete sie und stand auf.
Caleb griff nach ihrer Hand. »Bitte, bleib noch ein bisschen.«
Rachel schüttelte den Kopf. »Ich muss mich ausschlafen, das Zeug von dir knallt echt rein, alter Schwede.« Sie erwiderte Calebs schiefes Grinsen und ließ sich von seiner unverletzten, erstaunlich kräftigen Hand aufs Bett ziehen.
»Du könntest hierbleiben und auf mich aufpassen«, flüsterte er. »Als meine ganz persönliche Krankenschwester. Das Bett ist breit genug und ich bin auch ganz brav und eh zu nichts mehr fähig, versprochen.« Seine leise Stimme ließ ihr Herz schneller schlagen. Doch dann schüttelte sie erneut den Kopf, langsam und mit geschlossenen Augen,
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