Beruehrt
doch kein Dealer, ich gebe nur Freunden was ab und manchmal revanchieren sie sich.« Er beobachtete sie genau, als er leiser weitersprach. »In der Szene wirst du mit Angeboten überhäuft. Viel Dreck dabei, da nehme ich lieber mein eigenes Kraut. Und ich experimentiere nun mal gern … nicht nur, was Musik angeht.«
»Wissen Josh und Bruce davon?«, fragte sie, während ihre Kopfschmerzen zunehmend stärker wurden.
»Spinnst du?« Caleb wehrte entsetzt ab. »Das wär’s noch.«
»Das Verrückte ist, ich glaub dir sogar«, meinte sie schnaufend. »Cal, du musst damit aufhören, bevor es zu spät ist, hörst du? Ich …« Sie brach ab und sagte dann leise. »Ich hab meine beste Freundin durch so 'nen Blödsinn verloren. Und einmal reicht, darauf kannst du Gift nehmen.«
Caleb sah sie wachsam an. Rasch wich sie seinem Blick aus, bevor der tief versteckte Schmerz über Becky in ihr hochkriechen konnte. Stattdessen versuchte sie, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. Womöglich führte dieser Vormittag doch noch zu etwas. »Hast du auch schon mal jemanden verloren?«, fragte sie geradeheraus.
»Viel zu oft«, gestand Caleb, nahm ein Glas Wasser, lehnte sich zurück und drehte es abwartend hin und her.
Rachel legte eine Hand auf Calebs. »Dieses Mädchen, das tödlich verunglückt ist, Amelia, kanntest du sie gut?«
Es gab ein knackendes Geräusch. Das Glas in Calebs Hand platzte, Splitter und Wasser regneten auf Tisch und Teppich. »Was weißt du darüber«, fragte er und sah sie scharf an. »Was hat Grayson dir erzählt?«
»Grayson?« Rachel schrak zurück und starrte gebannt auf die Scherben. »Gar nichts.«
Ein roter Tropfen perlte von Calebs Hand und verwirbelte sich in der kleinen Wasserpfütze auf dem Parkett zu einem psychedelischen Muster. Rachel löste sich aus ihrer Erstarrung. »Wo hast du Kehrblech, Handfeger und Pflaster?«, fragte sie.
»Unter der Spüle«, sagte Caleb mechanisch. »Pflaster sind im Bad. Aber lass doch, es ist nichts.«
»Nichts ist nicht zinnoberrot«, widersprach Rachel. »Bleib sitzen und beweg dich nicht, sonst blutest du deine schönen Sachen voll.«
Sie fand schnell, was sie suchte. Im Spiegelschrank entdeckte sie allerlei Tablettenröhrchen, auf denen hoffentlich nicht nur der Form halber etwas von Kopf- und Magenschmerzen stand. Hinter Zahnpasta, Nassrasierer, Schaum und Aftershave entdeckte sie schließlich Pflaster und Jodtinktur. Sie riss ein paar Lagen Toilettenpapier ab und öffnete die Schranktüren unter der Küchenspüle. Ihr Blick streifte abschätzig eine Reihe Apparaturen, die nicht so aussahen, als taugten sie zum Marmeladekochen. Halbherzig drückte sie Caleb die Daumen, dass er nie ungebetenen Besuch von einem Drogenfahnder und seiner vierbeinigen Spürnase bekam.
Rachel griff entschlossen nach seiner Hand, pflückte vorsichtig ein paar darin verbliebene Scherben heraus und begutachtete den Schnitt, der knapp oberhalb des Daumenballens parallel zu seiner Herzlinie verlief.
»Vielleicht sollte man das lieber klammern«, überlegte sie laut.
»Blödsinn«, wiedersprach Caleb. »Es blutet doch schon gar nicht mehr.«
Zum Beweis spreizte er die Finger und Rachel konnte gerade noch das Toilettenpapier unter seine Hand halten, damit er nicht das Sofa volltropfte.
»Nee, gar nicht«, schimpfte sie. »Ich hab Klammerpflaster drüben. Du bleibst hier sitzen und rührst dich nicht, klar so weit?«
»Weißt du eigentlich, dass du unglaublich süß aussiehst, wenn du wütend bist?« Caleb angelte mit glasigen Augen nach der nervigen Haarsträhne, die ihr schon wieder ins Gesicht gefallen war. Rachel wich ihm aus.
»Weißt du, dass ich dir gern so was von in den Hintern getreten hätte, wenn du mir nicht grade davonbluten würdest? Bin gleich wieder da.«
Sie zog die Tür zu seiner Wohnung bis auf einen Spalt zu und rannte den Flur entlang. Der Schreck hatte sie auf einen Schlag wieder nüchtern gemacht. Allenfalls ihr räumliches Sehvermögen war noch etwas eingeschränkt. Sie vertraute ihrem Verstand, der ihr sagte, dass das Schloss sicher gebaut war und seine Wände nicht vorhatten, über ihr zusammenzuschlagen. Gut, dass ihre Eltern weit weg waren, die hätten garantiert eine Staatsaffäre daraus gemacht. Rachel fragte sich, ob Helen und die anderen von Calebs weitläufigeren Hobbys wirklich nichts wussten. Vielleicht profitierten sie ja sogar heimlich davon – und nur ihr, als der Neuen im Schloss, hatte man bisher nichts erzählt.
Irgendwie
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