Beruehrt
ist Mädchensache, okay?« Sie wandte sich an Helen. »Kannst du aufstehen, wenn wir dich stützen, Süße? Gleich hier draußen sind eine Decke und was zu trinken.«
Helen hielt die Augen geschlossen, wiegte sich sachte hin und her und reagierte nicht. Aber mit vereinten Kräften gelang es ihnen, Helen aus der Kabine zu bringen, notdürftig in einen Bademantel zu stecken und auf den Liegestuhl zu heben, den helfende Hände in den Gang getragen hatten. Melissa stand hilflos daneben und knetete ihre Hände.
»Melissa, könntest du vielleicht Helens Anziehsachen holen?«, bat Rachel. Als Melissa verschwunden war, zeigte Kathy mit einer Kopfbewegung auf Helens Bauch. »Da sind sogar noch mehr Narben. Helen, wie lange ritzt du dich schon?«, fragte sie behutsam.
Helen öffnete langsam die Augen. Sie schien nicht richtig da zu sein. Ihre Augen hatten einen abwesenden Glanz. »Das ist meine Strichliste«, sagte sie und Rachel wurde flau im Magen, als ihr die Bedeutung dieser Worte klar wurde. Jeder Korb ein Schnitt … eine Narbe.
Wenig später trafen endlich die Sanitäter ein. Grayson zeigte ihnen den Weg. Sie fühlten routiniert Helens Puls und Atmung, stellten bescheuerte Fragen nach Suizidgefährdung, sexueller Gewalt, Drogen, Alkohol, Eltern und der Krankenversicherung und sahen sich nicht einmal die notdürftig verbundenen Wunden an Helens Kopf und Armen richtig an. Kathy rannte los, um ein paar von Helens Klamotten und die Versichertenkarte aus ihrer gemeinsamen Wohnung zu holen. Rachel hockte die ganze Zeit über neben ihrer Freundin auf dem Boden und hielt ihre Hand.
»Kinder, so was sehen wir öfter. Das habt ihr gut gemacht, schade nur, dass ihr nicht früher was bemerkt habt. Jetzt übernehmen wir«, sagte einer der Sanitäter.
Rachel sah ihn erschüttert an. »Was wollen Sie damit sagen?«, fragte sie.
»Nichts«, sagte der andere. »Wir bringen sie ins Krankenhaus. Ihr wisst, wo ihr sie finden könnt, bin gespannt, wie viel Besuch sie dann tatsächlich von euch bekommt.« Abschätzend sah er in die Runde.
Caleb lehnte mit verschränkten Armen an einem Pfosten. Melissa hatte sich in die Arme von Bruce geflüchtet, dessen Gesicht ebenso kalkweiß aussah wie das von Josh. Grayson war nirgends zu sehen.
»Partygeneration«, murmelte er abfällig unter seinem Schnauzbart, nickte dann seinem Kollegen zu und kommandierte »Auf drei«. Damit hoben sie Helen auf eine Trage mit Rollen, zogen das Fahrgestell aus und schoben sie durch den schmalen Weg zum Ausgang.
»Sie haben doch überhaupt keine Ahnung!«, brauste Rachel auf und lief an Helens Seite, während die anderen folgten. Sie drückte unablässig Helens Hand und streichelte ihr beruhigend die Wange. Doch ihre Freundin schien nichts davon zu merken. Sie hatten ihr ein Beruhigungsmittel injiziert, wahrscheinlich tat es bereits seine Wirkung. Zumindest mit ihr waren sie fürsorglich und behutsam umgegangen.
Der Krankenwagen stand draußen auf dem Kies. Humphrey schnitt vertrocknete Blüten von den Spalieren an der Hauswand. Er nickte Rachel kurz zu und zog sich dezent zurück, als er die Sanitäter und die Traube aus jungen Leuten um die Trage wahrnahm.
Als die Rettungsassistenten die Heckklappe öffneten und Helen hineinknattern ließen, war Rachel gezwungen, ihre Hand loszulassen, die nun kraftlos von der Trage hing. Das Letzte, was Rachel sah, bevor die Wagentür hinter ihrer Freundin zufiel, war diese verletzliche, schlaffe Hand.
Kathy schaffte es gerade noch rechtzeitig. »Warten Sie«, brüllte sie gegen das Motorengeräusch an. Sie klopfte im Laufen an die Fahrerseite des Krankenwagens. Der Sanitäter nahm die gepackte Tasche durch das Fenster entgegen, ohne noch einmal anzuhalten. Dann schaukelte der Wagen im Schritttempo zur Ausfahrt hinunter. Am großen schmiedeeisernen Tor schaltete er Martinshorn und Blaulicht an.
13
I rgendwo am Rand ihres Bewusstseins nahm Rachel wahr, wie die anderen zurück ins Haus gingen. Um ihre Sachen zu holen. Um sich anzuziehen. Vielleicht um aufzuräumen. Blut wegzuwischen. Helen wegzuputzen.
Rachel fror.
Sie konnte nicht mehr aufhören zu zittern. Sie hatte das Gefühl, jeden Moment umzukippen und ins Bodenlose zu fallen.
Doch jemand war da.
Trockene, starke Hände legten ihr einen flauschigen, warmen Bademantel um, wischten ihr die nassen Haare aus dem Gesicht und zogen sie an sich. Es war Grayson.
Er war einfach nur da und hielt sie ganz fest und Rachel brach in sich zusammen.
Sein gleichmäßiger
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