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Beruehrt

Beruehrt

Titel: Beruehrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Lyall
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furchterregender. Rachel hatte dabei eine hohläugige, schaumsabbernde Helen mit wirrem Blick vor Augen. Sie zog die Brauen zusammen. Vielleicht war es ganz gut, dass man sie nicht zu ihr aufs Zimmer gelassen hatte. Womöglich hätten sie sie auch gleich dabehalten, dachte sie zynisch und seufzte.
    In ihrer Wohnung angekommen, schmierte Rachel sich lustlos ein Sandwich, öffnete einen Joghurt, hatte aber nach drei Löffeln keinen Appetit mehr und lümmelte sich schließlich mit einem großen Glas Wasser auf ihr Sofa. Im Fernsehen kam nur Schrott, langweilige Reportagen über die Osterinseln, Antikauktionen in Wales oder die Tätowierungen und den Mageninhalt eines tiefgefrorenen Urzeitwanderers aus einem österreichischen Gletscher.
    Als sie halb am Einschlafen war, hörte sie auf einmal in den Räumen über sich rastlose Schritte, gefolgt von einem kurzen, heftigen Möbelrücken, das ihre Deckenlampe zum Klirren brachte. Sie war kurz davor, nach oben zu stürmen, aber wer wusste schon, wo das wieder enden würde und ob sie überhaupt erwünscht war. Also versuchte sie, den Krach über sich zu ignorieren und ihn mit einem Sofakissen über den Ohren wenigstens etwas zu dämpfen. Irgendwann kehrte endlich Ruhe ein. Mit schlecht geputzten Zähnen schlurfte sie schließlich weit vor ihrer üblichen Zeit ins Bett.
    Tief in der Nacht schreckte sie aus einem Albtraum hoch. Helen und Becky waren zu einer Person verschmolzen, die ihr Hilfe suchend die Hände entgegenstreckte, aber sie konnte sie nicht greifen. Rachels Beine waren bis zu den Knien im Fußboden versunken. Ein Zug dröhnte quer durch die Küche in ihrem Elternhaus, raste bedrohlich schnell auf die Becky-Helen zu und sie kam und kam nicht vom Fleck. Rachel wachte durch ihr eigenes Schluchzen auf. Ihre Wangen waren nass geweint.
    Draußen zirpten lediglich die Heimchen und in der Wohnung über ihr war auch endlich alles still. Rachel kletterte aus dem Bett, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, lugte durchs Fenster und ließ das Rollo herunter, um weiterschlafen zu können, ohne vom Licht des Vollmondes geblendet zu werden. Dann ging sie zur Toilette, putzte sich die Nase und legte sich wieder ins Bett.
    Tausend Gedanken rasten durch ihren Kopf. Erinnerungen an Becky und Helen, das Blut in der Dusche, die blasse, schlaffe Hand ihrer Freundin auf der Trage. Sie wühlte sich in ihr Bettzeug und stellte sich vor, es wären Graysons Arme, die sie hielten, und der Herzschlag, den sie hörte, wäre nicht ihr eigener, sondern seiner. Sie konzentrierte sich darauf, nur diesem stetigen Pochen zu lauschen, seine Arme um sich zu spüren. Ein bisschen Trost und Wärme. Irgendwann vermischten sich Fantasie und Traum. Die Hände, die sie umfingen, machten sich selbstständig, glitten höher und tiefer, tasteten sich zu ihrer Brust, streichelten ihren Po, ihre Beine. Die Innenseiten. Sie konnte seine Wärme fühlen, seinen Atem hören. Dicht an ihrem Ohr ihren Namen stöhnen, sie berühren, überall. Küsse auf ihrer Haut, Hände um ihre Brüste. Lippen, Zunge. Sie fanden, was sie suchten. Rachel ließ sich gehen, ließ zu, dass Finger zwischen ihre Beine glitten, das pulsierende Gefühl dort steigerten. Wissende Hände. Sie krallte sich in die Laken, versuchte, mit dem Mund die Hand zu fangen, die ihr übers Gesicht strich, ihre Lippen nachzeichnete. Sie drehte sich auf den Rücken und öffnete die Augen, Graysons Namen auf den Lippen. Doch das Gesicht, das sie im Zwielicht wahrnahm, war Calebs. Und er trug einen gestreiften Pyjama. Rachel fuhr auf. »Hau ab!«, wisperte sie entsetzt und griff nach dem heruntergerutschten Bettzeug, um sich zuzudecken. Der Nachtmahr löste sich in nichts auf, genau wie die erotische Stimmung. Rachels Herz raste.
    Mit zittrigen Fingern leerte sie ein Glas Wasser und stellte es auf dem Nachttisch ab. Drei Uhr zweiunddreißig. Sie legte sich wieder hin, lauschte misstrauisch noch einen Augenblick mit geschlossenen Augen. Caleb blieb weg. »Geht doch«, brummte sie und fiel in einen traumlosen Schlaf, bis der Wecker sie schrill ins Hier und Jetzt zurückbeförderte.
    Sie fühlte sich, als hätte sie in einer Waschmaschinentrommel im Schleudergang geschlafen. Alle Knochen taten ihr weh, ihr Schädel brummte, ihr Mund war trocken und am Kinn spürte sie einen schmerzenden Pickel wachsen. Perfekte Voraussetzungen für einen Auftritt beim Radio. Aber wie hatte Caleb so treffend festgestellt: Die sehen dich nicht, die hören dir nur zu. Als ob das

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