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Beruehrt

Beruehrt

Titel: Beruehrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Lyall
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darauf in irgendeiner Weise einzugehen. Grayson war bereits irgendwo zwischen den Menschen, den Autos und den Häuserreihen verschwunden. Die Begegnung eben wäre ihr beinahe wie eine Fata Morgana erschienen, wenn ihre Lippen nicht noch vibriert hätten. Das war alles, was ihr von ihm in diesem Moment blieb. Es hatte etwas Symbolisches.
    Rachel folgte Caleb wie ein gescholtener Hund, dem sein Knochen geklaut worden war. Als sie an dem Papierkorb vorbeikamen, zögerte sie einen Moment und spähte hinein. Sie hatte also richtig gesehen. Es lag ein Päckchen darin, oder besser gesagt, ein in Papier geschlagener Strauß Blumen. Sie fischte ihn heraus, obwohl er etwas lädiert war. Schließlich war er für sie bestimmt gewesen und die Pflanzen sollten nicht umsonst abgeschnitten worden sein. Caleb hatte ihren kurzen Stopp anscheinend nicht bemerkt. Sie eilte ihm im Laufschritt hinterher, damit das auch so blieb. Erst im Auto spähte sie zwischen der Papierhülle hindurch und es war gut, dass sie saß. Es waren schwarze Rosen. Und es mussten fast alle Knospen sein, die der Strauch inzwischen hervorgebracht hatte.
    Am nächsten Tag regnete es in Strömen. Als ob jemand die Luft aus den Wolken gelassen hatte, sodass der Himmel über Cornwall in sich zusammensackte und alles an Flüssigkeit hergab, was darin gespeichert gewesen war.
    Seit Stunden stierte Rachel über der inzwischen dritten Tasse Tee in das graue, nasse Nichts und auf den Rosenstrauß. Sie fuhr zusammen, als es polternd klopfte.
    Vor ihrer Wohnungstür stand schwer atmend »Humphrey?«. Der alte Mann trug wie immer seine Mütze, hatte den Kragen seines Ölmantels hochgeschlagen und tropfte auf ihre Fußmatte. Selbst an seiner Nasenspitze hing ein Regentropfen.
    »Ist was passiert?«, fragte Rachel verwundert. Sie hatte Humphrey noch nie im Haus gesehen, geschweige denn auf ihrer Schwelle.
    Der Gärtnermeister schüttelte unwirsch den Kopf und japste. »Ganz schön viele Treppen.« Dabei fummelte er umständlich irgendetwas Widerspenstiges aus seiner Jackentasche. »Hier. Pass du drauf auf. Was soll ich denn damit?« Er schüttelte den Kopf. »Schlepp ich schon seit Tagen mit mir rum.«
    »Was ist das?,« fragte Rachel irritiert, als er ihr den kleinen Schlüssel energisch in die Hand drückte.
    »Ein Schlüssel«, erklärte er etwas ungeduldig. »Zum Schwimmbad. Vom jungen Wolf. Der Hausmeister ist nicht da und geben würd ich ihm den sowieso nicht. Wer weiß, wen der alles in den Pool lässt. Und du bist verantwortungsbewusst, das weiß ich.« Er wandte sich wieder zum Gehen.
    »Kann ich Ihnen einen Tee anbieten?«, fragte Rachel.
    Doch Humphrey winkte ab. »Muss zusehen, dass mir meine Dahlien nicht wegschwimmen, lass gut sein. Bist ’n Goldstück, da hat er schon recht.« Damit ließ er sie stehen und schlurfte ächzend davon.
    Rachel hatte mindestens drei Fragezeichen im Gesicht.
    Kopfschüttelnd hockte sie sich wieder auf ihr Sofa und drehte unaufhörlich den Schlüssel in ihren Händen. Es war gruselig, an das leere Schwimmbad zu denken und an das, was vor ein paar Tagen darin passiert war. Doch je mehr sie darüber grübelte, desto schlimmer wurden die Erinnerungen und Bilder in ihrem Kopf. Ein Satz ihrer Großmutter fiel ihr ein: »Um dem Horror den Schrecken zu nehmen, muss man hinschauen.« Damals hatte sie kurzerhand Licht im Kinderzimmer angemacht und aus dem Ungeheuer, das sabbernd mit ausgestreckten Klauen am Schreibtisch stand, wurde wieder der harmlose Bademantel über ihrem Stuhl.
    Rachel seufzte und fasste einen Beschluss. Irgendwann musste sie das Schwimmbad wieder betreten. Beziehungsweise – wollte sie. Also würde sie es jetzt tun. Nur mal gucken, nicht schwimmen … ganz allein, ohne die anderen. Die Bilder voller Blut gegen Erinnerungen an Grayson austauschen. Vielleicht war ja seine Wärme dort gespeichert und überwog Helens Tränen. Humphrey hatte den Schlüssel in ihre Obhut gegeben. Das machte sie irgendwie stolz. Es war ein großes Zeichen seines Vertrauens, seiner Zuneigung, dafür, dass sie etwas Besonderes für ihn war – egal, was er sonst sagte und erst recht, was die anderen behaupteten oder dachten.
    Beschwingt schlich sie durchs Treppenhaus nach unten. Als sie den Schlüssel im Schloss drehte und hineinhuschte, kribbelte es in ihrem Magen, als ob sie etwas Verbotenes täte. Mit einem metallischen Geräusch fiel die Tür hinter ihr zu. Das Licht ging automatisch durch Bewegungsmelder an. Obwohl Rachel das wusste, fuhr

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