Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
Vlain beraten, obwohl sie eigentlich längst wusste, was er davon hielt.
Crevi holte tief Luft. Eben jetzt erinnerte sie sich daran, was ihr Vater ihr kurz vor seiner Ermordung geraten hatte. Er hatte ihr geraten, ihre Verbündeten bei den Ungewollten, den Ausgestoßenen, den Außenseitern zu suchen.
Jayden war ein Bettler und ein Teufelskind dazu.
Ein Zeichen?
Und er hatte sie wohlmöglich in seinen Visionen kommen sehen.
Crevi fasste sich ein Herz. »Du darfst uns begleiten. Aber ich werde nicht diejenige sein, die Vlain davon in Kenntnis setzt.«
» Keine Sorge, das mache ich«, grinste Yve. »Aber lasst uns bis dahin noch ein wenig warten. Solange bleibt das unter uns.«
» Vielen Dank.« Jayden neigte respektvoll den Kopf. Er schaute über ihre leeren Teller. »Sollen wir aufbrechen? Ihr seht beide ziemlich müde aus.«
Crevi stimmte ihm nickend zu. Sie fühlte sich tatsächlich müde. Sogar sehr müde.
»Gut.« Jayden bezahlte und sie erhoben sich.
Yve unterrichtete Vlain davon, dass sie zum Aufbruch bereit waren, und Crevi war froh, dass sie diesen Part übernahm.
Gemeinsam mit dem Bettler beobachtete sie das Schauspiel von der Tür aus. Yve tauschte ein paar Worte mit ihm, woraufhin sich Vlain von der Fremden verabschiedete.
Von hier aus konnte Crevi auch das Gesicht der Frau genauer erkennen. Sie war hübsch, sehr hübsch und ihre blauen Augen funkelten unergründlich wie das Meer in ihrem makellosen Gesicht. Ihre Lippen, so zart und wohl geschwungen wie Rosenblätter, verzogen sich zu einem angedeuteten Lächeln, als Vlain eine Verbeugung vor ihr machte und einen Kuss auf ihren Handrücken hauchte.
Das gefällt mir nicht , wurde Crevi schlagartig klar. Er war höflich , charmant und respektvoll zu ihr! Wer ist sie? Die blauen Augen der Frau huschten kurz zu ihr hinüber, funkelten spöttisch auf. Sie musterte sie von oben bis unten und sofort kam Crevi sich schmutzig und hässlich in ihrer Reisekleidung vor.
» Komm«, sagte Jayden, als habe er ihre Gedanken erraten. Sie ließ sich von ihm aus dem Gasthaus führen und selbst als sie auf die Straße traten, ließ er ihre Hand nicht los. Verlegen senkte sie den Blick.
Ein paar Minuten standen sie so da, bis Yve und Vlain zu ihnen stießen.
Jayden löste sich von ihr und Crevi sah seinen Augen an an, dass dieser Moment keine weitere Bedeutung haben würde.
Schweigend folgten sie dem Bettler durch das Skogak, wie es die meisten Men schen niemals zu Gesicht bekommen. Sie folgten ihm durch die Straßen, die immerzu dunkel sind, und schlugen den Weg zu einem Haus ein, dessen einziger Bewohner ein Visionär war.
Ein merkwürdiger Ort , dachte Crevi Sullivan und da überkam sie Heimweh. Und so weit fort von Zuhause.
Es war der Moment, in dem ich zum ersten Mal seit langer Zeit dieses verwirrende Gefühl spürte, das die Menschen Zuneigung nennen.
9. Der Zirkel
Betrunken torkelte Vlain aus der Küche des verlassenen Hauses. Dabei schüttelte er sich vor Lachen. Selbst dann noch, als er unvermittelt über die eigenen Füße stolperte. Die halbvolle Flasche mit dem Alkohol entglitt seinen klebrigen Fingern und zerschellte. Gerade noch rechtzeitig fing er sich ab.
Mist!
Schnell machte er einen Schritt über die Scherben hinweg und taumelte, sich an der Wand entlang tastend, den Gang entlang. Die Umgebung um ihn verschwamm. Grelle Muster tanzten vor seinen müden Augen.
Herrlich! Er fühlte sich herrlich.
Entgegen seiner Erwartungen zeigte der Alkohol seine Wirkung schon sehr rasch.
War es nicht das, was er hatte erreichen wollen?
Sein Kopf brummte.
Etwas regte sich am Rande seines Bewusstseins. Er wusste nicht, wie lange die Sonne schon untergegangen war – das war in dieser verfluchten Stadt unmöglich zu sagen.
Ein Hoffnungsschimmer überkam ihn. Erneut verfiel Vlain in Gekicher. Vielleicht hätte er die Nacht ja trocken überstanden. Er befand sich schließlich unter der Erde und entkam auf diese Weise dem verhängnisvollen Schein des Vollmonds...
Er würgte jäh. Schluckte das Zeug schnell wieder hinunter.
Auf die Betäubung seines Dämons durch Alkohol hatte er schon lange nicht mehr zurückgreifen müssen. Aber heute durfte er auf gar keinen Fall die Kontrolle verlieren, denn…
Er hielt es einfach nicht mehr aus. Nein, nein.
Crevi, Yve und Jayden.
Genau, genau. Das war es.
Nur so war sicher, dass er niemanden verletzte.
Sein Körper war unglaublich schwer. Einen Moment ließ Vlain sich gegen die
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