Beseelt
trinken, dennoch verfügt sie definitiv über schamanische Kräfte. Wenn sie das nicht täte, wäre sie nie in der Lage gewesen, dir zu helfen.“
Cuchulainn schaute seiner Mutter im Spiegel in die Augen.
„Frag ruhig“, sagte sie.
„Könnte Brighid eine Hohe Schamanin werden?“
„Das kann nur Epona beantworten, mein Sohn.“
„Sag mir einfach deine Meinung, Mutter.“ Er versuchte zu lächeln, doch die Spannung, die in seinem Körper herrschte, zog harte, angestrengte Linien in sein Gesicht.
„Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass sie es werden könnte, aber es wäre keine leichte Reise für sie und ihr Leben wäre womöglich sehr einsam.“ Sie zog den Kamm durch sein Haar und schnitt weiter, während sie sprach. „Du weißt, dass die Einstellung ihrer Herde radikal, ja vielleicht sogar gefährlich ist?“
„Ja“, erwiderte er knapp.
„Als Hohe Schamanin müsste sie den Platz als Führerin der Dhianna-Herde einnehmen. Brighid hat einen anderen Weg gewählt, und ich glaube, sie hat darin ein gewisses Maß an Frieden und Glück gefunden. Würde sie von diesem Pfad abweichen, müsste sie in die Welt zurückkehren, die sie bewusst hinter sich gelassen hat, obwohl ihre Einstellung sich radikal von der ihres Volkes unterscheidet. Deshalb wäre das für sie ein sehr einsames Leben.“
„Was, wenn sie nicht alleine wäre?“
Anstelle einer Antwort konzentrierte seine Mutter sich darauf, seine Haare noch einmal sorgfältig nachzuschneiden. Cuchulainn fuhr ungerührt fort: „Was, wenn sie jemanden an ihrer Seite hätte, der gewillt wäre, die Einsamkeit auszufüllen – sie in dem, was sie glaubt, zu unterstützen? Jemand, der sie respektiert und …“
„Und sie liebt?“
Er drehte sich um, sodass er seiner Mutter direkt in die Augen schauen konnte. „Ist das, was ich fühle, eine Nachwirkung der Seelenerneuerung?“
„Was fühlst du denn, mein Sohn?“
„Ich fühle mich so sehr zu ihr hingezogen, dass ich es kaum ertrage, von ihr getrennt zu sein! Ich wäre heute Morgen fast losgeeilt, sie zu suchen.“ Er lachte tonlos auf. „Zum Glück ist mir aufgefallen, dass ich aussehe wie ein Eremit aus den Bergen.“
„Zentauren sind magische und beeindruckende Wesen“, sagte seine Mutter unverbindlich. „Sie sind leidenschaftlich und schön. Die durch die Kraft eines Pferdes verstärkte Seele eines Menschen kann eine mächtige Anziehung auf uns ausüben.“
„Mutter! Du musst es mir sagen. Ist das, was ich fühle, eine temporäre Besessenheit, weil sie meine Seele berührt hat, oder ist es mehr?“
„Das können nur du und Brighid entscheiden. Trotz all meiner Fähigkeiten – Liebe kann ich nicht vorhersagen. Die Verbindung, die durch eine Seelenerneuerung geschaffen wird, besteht selten aus mehr als einem tiefen Verständnis und Respekt füreinander.“ Sie lächelte ihn an. „Es scheint mir, dass du für die Jägerin wesentlich mehr empfindest.“
„Wesentlich“, sagte er leise.
„Genug, um sie zu bitten, ihr Leben und ihre Zukunft zu ändern, damit ihr zwei zusammen sein könnt?“
„Ich weiß es nicht!“
Die Priesterin berührte die Wange ihres Sohnes. „Ich wünschte, dein Vater wäre hier.“
„Würde er mir nicht sagen, dass ich verrückt geworden bin?“
„Vielleicht.“ Sie lachte.
Er legte eine Hand auf ihre. „Ich weiß nicht, was ich tun soll.“
„Natürlich weißt du das nicht. Du kannst das nicht alleine entscheiden. Sprich mit Brighid. Du hast bereits deine Seele mit ihr geteilt, wie schwer dürfte es da also sein, ihr die Geheimnisse deines Herzens zu offenbaren?“
„Es fühlt sich an, als passierte das alles zu schnell. Zu kurz nach Brenna.“
„Die Welt dreht sich schnell, Cuchulainn. Ich spüre große Unruhe nahen. Vielleicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt für Entscheidungen.“ Sie strich mit den Fingern durch sein Haar, schaute ihn prüfend an und lächelte. „Wir sind fertig.“
Er drehte sich zum Spiegel um, ordnete mit den Händen die Frisur, nahm anschließend die Hand seiner Mutter und küsste sie. „Danke“, sagte er.
Sie gab ihm einen kleinen Schubs Richtung Tür. „Geh und finde deine Zukunft, mein Sohn. Und wisse, wie immer du dich entscheidest, mein Segen und der von Epona sind stets bei dir.“
31. KAPITEL
A ls Brighid im Morgengrauen ihren Geist klärte, um nach dem Licht des Wildschweins zu suchen, war der erste Schimmer, der in ihrem Unterbewusstsein aufleuchtete, golden und definitiv nicht im die Burg
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