Beseelt
Spiegelbild an. Seine Mutter wohnte derzeit am anderen Ende des Flurs. Nach einem Bad und einer Rasur würde er vielleicht ein aufmerksamer Sohn sein und ihr beim Frühstück Gesellschaft leisten.
Summend zog er sich aus.
Die Tür zur Gästesuite öffnete sich, bevor Cu anklopfen konnte. Eine umwerfende blonde junge Frau in einer beinahe durchsichtigen rosaroten Robe kicherte, als sie seine zum Klopfen erhobene Faust sah.
„Eure Mutter erwartet Euch, Krieger“, sagte sie.
„Natürlich tut sie das.“ Er ertappte sich dabei, das Lächeln des flirtenden Mädchens zu erwidern. „Und es ist gut zu sehen, dass Mutter sich immer noch gerne mit Schönheit umgibt.“
Die Wangen der Dienerin nahmen einen entzückenden Farbton an, der gut zu ihrem Kleid passte. Sie machte einen kleinen Knicks und gewährte ihm einen ungehinderten Blick auf ihre wohlgeformten Brüste. Automatisch sah er hin und spürte, wie sein Körper sich anspannte.
Er war eindeutig noch am Leben.
„Cuchulainn! Komm herein, komm herein“, rief Etain.
Er zwinkerte der Dienerin zu, als sie zur Seite trat, damit er hineingehen und seine Mutter begrüßen konnte. Etain saß auf einem Stuhl, der mit opulentem goldenem Samt gepolstert war. Eine weitere attraktive junge Frau kämmte ihr gerade die dichten roten Locken, in die sich erste Silberfäden geschlichen hatten. Cuchulainn schenkte seiner Mutter ein Lächeln, als er sah, dass die Wände des Gästezimmers mit Wandteppichen behängt waren, die sie selbst zeigten. Barbusig ritt sie auf der Stute der Göttin, während junge Mädchen um sie herumtanzten und ihren Weg mit Rosenblättern bestreuten. Etain hatte die Suite außerdem mit Unmengen an luxuriösen, schönen Möbelstücken und einem auf einem Podest stehenden Bett mit seidenem Himmel eingerichtet.
Seine Mutter reiste stets stilvoll und ihrem Status als Geliebte der Epona angemessen. Der Teil seiner Seele, der so lange fort gewesen war, rührte sich, und Cuchulainn wurde von einem plötzlichen Gefühl der Liebe für die extravagante, mächtige Frau überfallen, die seine Mutter war. Fröhlich lächelnd ging er zu ihr hinüber, zog sie in die Arme und küsste sie herzhaft auf beide Wangen.
Ihr Lachen perlte an seine Ohren, während sie die Umarmung erwiderte. Dann zog sie sich zurück und schaute ihm in die Augen. Ihr Lächeln vertiefte sich. Sie legte eine Hand an seine frisch rasierte Wange.
„Es tut so gut, dich fröhlich zu sehen, mein Sohn.“
„Du wusstest es natürlich wieder mal“, sagte er.
„Ja.“ Sie hielt inne und entließ ihre Dienerinnen mit einer kleinen Handbewegung. „Ich wusste es ab dem Tag, an dem es passiert ist“, sagte sie, sobald sie allein waren. Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange und strich sein langes Haar zurück. „Ich hätte dir geholfen, wenn ich es gekonnt hätte, aber manche Dinge entziehen sich dem Einflussbereich einer Mutter.“
„Ich wünschte, du hättest Brenna kennengelernt.“
„Epona hat mit mir oft über sie gesprochen. Deine Verlobte war eine außergewöhnliche junge Frau. Sie lag – und liegt – der Göttin sehr am Herzen.“
Cuchulainn schloss die Augen, als der bittersüße Schmerz in ihm aufstieg. „Danke dir, Mutter.“
Sie tätschelte seine Wange. „Lass sie gehen, mein Liebling. Denk an sie, erinnere dich an sie, aber lass sie gehen. Es ist an der Zeit, dass du mit deinem Leben weitermachst.“
Er nickte. „Du hast wie immer recht.“
„Natürlich habe ich das.“ Sie stellte sich auf Zehenspitzen und hauchte einen Kuss auf seine Stirn. Dann zerzauste sie ihm das Haar. „Ich habe mir von den Dienerinnen die Schere bringen lassen. Sollen wir anfangen?“
Er grinste sie an. „Es ist gut, dass ich nie versucht habe, etwas vor dir geheim zu halten. Das hätte mein Leben verdammt schwierig gemacht.“
Sie sah ihn an und zog eine Augenbraue hoch. In diesem Moment erinnerte sie ihn unglaublich an seine Schwester.
„Du weißt, dass es gotteslästerlich ist, etwas vor deiner Mutter zu verheimlichen.“
„Gotteslästerlich?“ Er lachte und ließ sich von ihr zu dem goldenen Stuhl geleiten. Mit der Schere in der einen und einem schmalen Kamm in der anderen Hand machte sie sich ans Werk. Sie seufzte, als sie sein dickes Haar kämmte.
„Ich nehme nicht an, dass ich dich überreden kann, sie lang zu lassen, oder? Ich könnte einfach hier und da ein wenig wegnehmen …“
Ihre Blicke trafen sich im Spiegel, und sie gab es auf. Cu entspannte sich unter der vertrauten
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