Beseelt
trieben. Danach ließen sie das Mädchen im Regen zum Sterben zurück.“
Brighid nahm noch einmal einen tiefen Schluck aus dem Weinschlauch und zwang sich, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. Es war wichtig, dass sie die Geschichte klar erzählte, damit Cu sie wirklich in allen Einzelheiten verstand.
„Sie klammerte sich an mich. Es gab nichts, was ich für sie tun konnte, außer sie zu halten und ihr bis zum Ende beizustehen. Sie wiederholte immer wieder: ‚Sag Mama, sie soll nicht böse auf mich sein. Sag ihr, es tut mir leid, dass ich zu spät komme.‘ Als es vorbei war, kümmerte ich mich schnell um ihre Leiche. Der Regen wurde stärker und ich durfte die Spur nicht verlieren.“
„Du bist ihnen nachgegangen?“, fragte Cu.
Sie nickte. „Ja, ich bin meinem Bruder und seinen Freunden gefolgt. In meinem Herzen wusste ich in dem Moment, als ich das erste Mal die Fährten sah, dass seine dabei war. Aber ich wollte es nicht glauben … Ich wollte nicht glauben, dass …“ Sie zitterte und sprach mit zusammengebissenen Zähnen weiter: „Ich habe ihn bis nach Hause verfolgt und zugesehen, wie er und seine Kumpane lachten und Spaß hatten, als wäre nichts geschehen. Als ich ihn vor meine Mutter zerrte und mit dem konfrontierte, was er getan hatte, sagte er, das dumme Menschenmädchen hätte seine Tiere besser unter Kontrolle haben müssen. Das war alles, Cu. Vor meiner Mutter, der Hohen Schamanin unserer Herde – dem Zentaur, der ein Beispiel für Ehre und Integrität sein sollte.“
„Sie hat nichts unternommen?“ Cuchulainns Stimme klang rau vor Mitgefühl.
„Sie hat nichts
gesagt
, getan hat sie schon etwas. Von dem Moment an veränderte sich ihr Verhalten meinem Bruder gegenüber. Sie ignorierte ihn nicht länger – sie verfiel ins andere Extrem. Meine Mutter verhätschelte und verwöhnte ihn über alle Maßen. Seine Freunde wurden ebenfalls zu ihren Lieblingen erkoren.“ Brighid verzog angeekelt die Mundwinkel, um deutlich zu machen, welche Gunst sie ihnen gewährte.
„Ich bin am nächsten Tag zum Leichnam des Mädchens zurückgekehrt. Ich wollte ihre Eltern finden … sie zu der Mutter zurückbringen, nach der sie in ihren letzten Minuten gerufen hatte, aber ich fand nur noch Aschereste vor. Meine Mutter sprach nicht darüber, doch ich wusste, dass sie dafür verantwortlich war. Nicht lange danach verließ ich die Dhianna-Herde. Seitdem bin ich über die Ebene gezogen und bin so weit weg von meiner Herde wie möglich geblieben. Als ich hörte, dass Elphame Freiwillige suchte, um die MacCallan-Burg wiederaufzubauen, habe ich mich nach Norden gewandt und ließ mich von ihrem Ruf zu ihr treiben.“
„Gute Göttin …“, brachte Cu erstickt heraus.
Brighid wischte sich mit einer zittrigen Hand übers Gesicht. „Ich hätte dir das eher erzählen sollen. Ich hätte mit irgendjemandem darüber reden müssen … Ich habe nur nicht …“ Sie schaute ihn an, als könnte sie in seinen Zügen die Erlösung finden. „Alles, woran ich denken konnte, war, diesem Leben zu entfliehen. Meine Zukunft zu ändern und nicht zurückzuschauen. Aber ich verstehe. Jetzt, wo du es weißt, wirst du vielleicht nicht mehr … mit mir zusammen sein wollen … nicht mehr bei mir bleiben können und …“
„Hör auf!“, sagte Cuchulainn scharf und packte sie am Arm. „Ich werde dich nicht verlassen. Was sie getan haben, war nicht deine Schuld. Was sie heute sind, ist nicht deine Schuld. Bei der Göttin, glaubst du, ich würde dich alleine dahin zurückkehren lassen?“
„Ich weiß nicht, was ich denke. Ich habe es nie jemandem gegenüber erwähnt. Ich dachte nicht, dass ich es überhaupt könnte. Und jetzt habe ich es dir erzählt, meinem Ehemann. Meinem Ehemann, der ein Mensch ist.“ Sie schluchzte auf. „Was für einen Traum haben wir gelebt, als wir glaubten, wir könnten zusammen sein? Wie soll das denn nur funktionieren?“
Im Augenblick eines Herzschlags war Cuchulainn auf den Knien und schaute sie an. Er streckte seine Hände aus und zog sie in seine Arme. Sie versteifte sich, als ihr Oberkörper seinen berührte – einen unvertrauten muskulösen Torso, der nicht in einen pferdlichen Unterleib überging. Er ignorierte ihre Angespanntheit und hielt sie weiter fest. Als er sprach, drehte er den Kopf so, dass sein Atem warm über ihr rechtes Ohr strich.
„Es wird funktionieren, weil wir miteinander verbunden sind. Weil Epona irgendwie auf wunderbare Weise deine Seele so geformt hat, dass sie
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