Beseelt
Schlafes.
43. KAPITEL
H ätte jemand Brighid gefragt, ob sie in dieser Nacht träumen wollte, wäre ihre Antwort ein resolutes Nein gewesen. Sie sehnte sich einfach nur nach Schlaf – Zeit für ihren Körper, sich zu regenerieren, sodass später, wenn sie mehr von ihm verlangte, ihre Kraftreserven aufgefüllt wären und ihr in vollem Ausmaß zur Verfügung stünden.
In dieser Nacht hatte sie kein Verlangen nach Träumen.
Als sie also spürte, wie ihr Geist nach oben schwebte, war sie mehr genervt als alarmiert oder verängstigt. Irritiert öffnete sie die Augen und schaute auf ihren schlafenden Körper hinab. Cuchulainn war noch wach und saß aufmerksam neben ihr, den Blick finster auf das Lagerfeuer gerichtet. Er sah müde aus. Die Linien in seinem Gesicht, die nach der Seelenerneuerung zurückgingen, waren wieder da. Automatisch streckte sie eine Hand nach ihm aus, aber anstatt ihn zu berühren, schwebte sie höher und höher, durch die Decke der Höhle hindurch und in den nächtlichen Himmel hinein.
Brighid keuchte und schluckte einen Schwindelanfall hinunter.
Oh Göttin!
Was geschah mit ihr?
Ganz ruhig, mein Kind. Hab keine Angst
.
Eponas Stimme! Brighids Herz hämmerte schmerzhaft in ihrer Brust, die eindeutig mehr Geist als Körper war. Sie schaute sich mit großen Augen um, sah aber nichts außer dem Vollmond, der perfekt gerundet und buttergelb am Nachthimmel hing. Während sie in der Luft schwebte und versuchte, die wilde Gefühlsmischung aus Erstaunen und Panik zu kontrollieren, spürte sie, dass sie sich bewegte. Allmählich glitt sie in Richtung Norden. Unter ihr lagen die Blau Tors dunkel und schweigend da. Dann wurde sie schneller, und mit einem Mal raste sie über den breiten Fluss Calman hinweg. Die Burg McNamara und die umliegenden Weinberge verschwammen. Sie wollte langsamer werden, Einfluss auf das fürchterliche Tempo nehmen, aber ihre Seele war in Göttinnenhand – und Epona hatte es offensichtlich eilig.
Der Mond glitzerte auf der schwarzen Fläche der B’an-See. Brighid fokussierte sich auf die Weite des Meeres, die immer gleich blieb, egal wie schnell sie darüber hinwegschwebte. Es half ihr, den Schwindel zu unterdrücken, den sie nicht ganz abschütteln konnte. Erst als sie spürbar langsamer wurde, erlaubte sie sich, den Blick vom Wasser zum Land gleiten zu lassen. Sie holte überrascht Luft.
Unter ihr tobte das Leben in der MacCallan-Burg. Fackeln brannten auf den Zinnen und an den inneren Mauern. Obwohl es spät war, liefen die Wachen auf dem neu errichteten Wehrgang aufmerksam Patrouille. Der Anblick ihrer Wahlheimat weckte bittersüße Gefühle bei ihr. Es war schön, die Burg wiederzusehen, aber es machte sie auch traurig. Es erinnerte sie zu sehr daran, wie viel lieber sie und Cuchulainn jetzt dort wären als in einer einsamen Höhle am Rande der Zentaurenebene.
Das Schicksal hat es anders bestimmt, Kind
.
Die Stimme der Göttin beruhigte ihre Gedanken wie eine zarte Berührung. Die Melancholie verebbte und Brighid schüttelte beschämt den Kopf. Wer war sie, das Schicksal und den Willen der Göttin infrage zu stellen? Brenna war ihrem Schicksal mutig entgegengetreten. Niam hatte ihres würdig empfangen. Das war das Mindeste, was sie von sich erwartete.
Du kannst fragen, Kind, genauso wie du Entscheidungen treffen kannst. Ich glaube, wenn die Zeit kommt, wirst du dich weise verhalten
.
Brighid senkte den Kopf, beschämt vom Vertrauen der Göttin.
Jetzt sieh zu, damit du das Wissen hast, das du benötigst, wenn die Zeit kommt …
Ihre Seele sackte in einer Geschwindigkeit nach unten, bei der ihr die Augen tränten. Plötzlich hielt sie abrupt inne. Während sie blinzelte, um klarer zu sehen, erkannte sie, dass sie nahe der Decke der Großen Halle schwebte. Elphame und Lochlan saßen auf ihren üblichen Plätzen am Tisch der Clanführerin. Die einzige andere Person im Raum war Wynne, die Köchin. Zwischen ihnen auf der Tischplatte lag ein Berg frisch gepflückter Kräuter. Elphame befühlte abwesend das breite grüne Blatt einer der Pflanzen, die Brighid als Basilikum zu erkennen glaubte.
Als Ciara in die Große Halle geeilt kam, richtete sich die gesamte Aufmerksamkeit sofort auf sie. Neugierig lächelnd näherte sie sich dem Tisch und knickste elegant.
„Ihr habt nach mir schicken lassen?“
„Ja“, sagte Elphame. „Ich weiß, es ist schon spät, aber Wynne hat mir gerade erst davon erzählt, und da wollte ich gleich mit dir
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