Beseelt
sprechen.“
„Worüber?“
„Die Kräuter, um die sich die Kinder gekümmert haben.“ Elphame deutete auf den duftenden Berg.
Ciara runzelte fragend die Stirn. „Haben sie etwas falsch gemacht? Normalerweise sind sie gut im Umgang mit Pflanzen, ich hätte nicht damit gerechnet, dass sie im Küchengarten Probleme bereiten. Aber wenn sie etwas kaputt gemacht haben, werde ich dafür sorgen …“
„Sie haben nichts beschädigt, Schamanin“, platzte Wynne heraus und unterbrach Ciaras Entschuldigung. „Sie haben sie wachsen lassen.“
Offensichtlich verwirrt schaute Ciara von den Kräutern zur Köchin und wieder zurück. „Ich verstehe nicht …“
Nur Brighid bemerkte, dass Etain den Saal betreten hatte und interessiert zuhörte.
„Nun, ich versteh es auch nicht, aber ich weiß, was ich mit meinen eigenen Augen sehe und mit meinen eigenen Händen berühre. In der Spanne von drei Tagen, in denen die Lütten sich um die Kräuter kümmern, sind sie stärker gewachsen als sonst in drei Wochen. Die Kleinen haben sie wachsen lassen“, sagte Wynne resolut.
„Wuchsen sie nicht bereits? Sie haben sie doch lediglich gegossen und das Unkraut gezupft.“
„Ich denke, die Kinder haben viel mehr getan“, ertönte Etains Stimme von der Tür.
„Mama.“ Elphame schickte ihrer Mutter einen erleichterten Blick und bedeutete ihr, sich zu ihnen zu gesellen. „Ich wollte gerade nach dir schicken lassen.“
Etain lächelte ihrer Tochter zu, behielt ihre Konzentration aber auf Ciara gerichtet.
„Berühre die Pflanzen, Schamanin. Sieh, ob sie dir sagen, was Wynne bereits weiß.“
Zögernd legte Ciara eine schmale Hand auf die Kräuter. Sie schloss die Augen und nahm ein paar reinigende Atemzüge. Dann stieß sie ein überraschtes kleines „Oh“ aus und schnappte nach Luft. Als sie die Augen öffnete, sah Brighid, dass ungeweinte Tränen in ihnen schwammen.
„Erzähl meinen Töchtern, was du erfahren hast, Ciara“, ermutigte Etain sie.
„Die Kinder haben die Pflanzen wachsen lassen! Oh Göttin!“ Von Emotionen überwältigt neigte die geflügelte Frau den Kopf und presste sich eine Hand auf den Mund.
„Mama, was ist das? Was ist passiert?“, fragte Elphame.
„Epona hat den Neuen Fomorianern ein kostbares Geschenk gemacht“, sagte Etain.
„Sie sind aus Tod und Zerstörung geboren und haben mit Wahnsinn und Verlust klarkommen müssen“, sagte Ciara unter Freudentränen. „Und nun hat unsere große Göttin uns die Fähigkeit verliehen, Leben zu erhalten und zu fördern.“
„Das hat sie nicht jetzt erst getan“, erklärte Etain der Schamanin. „Diese Gabe hattet ihr schon immer –
du
hattest sie schon immer. Was glaubst du, wie ihr sonst in der Lage gewesen wärt, in der Trostlosigkeit des Ödlands Leben zu gebären, an Liebe und Hoffnung festzuhalten und euch nicht der Verzweiflung zu ergeben?“
„Das ist wahrlich ein großes Geschenk“, sagte Elphame und schaute ihren Ehemann liebevoll an. „Und wir sind reich beschenkt, weil ihr hier bei uns seid.“
„Du bist unsere Heimat, mein Herz. Nie würden wir woanders sein wollen.“ Lochlan berührte sanft ihre Wange.
„Denk doch nur, was das bedeutet, Elphame!“, rief Ciara aus. „Wir können uns nützlich machen und Nahrung wachsen lassen, und zwar nicht nur für die MacCallan-Burg, sondern auch für den Handel und …“
Den Rest von Ciaras Worten hörte Brighid nicht mehr, weil ihre Seele durch die Decke der Großen Halle in den Nachthimmel gehoben wurde. Als dieses Mal, auf ihrem Weg zurück nach Süden, die Erde unter ihr verschwamm, waren ihre Gedanken viel zu sehr mit dem beschäftigt, was sie gerade mit angehört hatte, als dass sie Zeit gehabt hätte, Schwindelgefühle zu entwickeln.
Epona hatte den Neuen Fomorianern die Fähigkeit geschenkt, Pflanzen aus dem Erdboden sprießen zu lassen. Kein Wunder, dass Liam so eine Begabung für das Aufspüren der Tierseelen zeigte – er war beschenkt mit der Verbundenheit zur Erde und zu den Pflanzen, die dort wuchsen. Von da aus die Seelen der Tiere zu verstehen war kein allzu großer Sprung.
Brighid freute sich für die Neuen Fomorianer. Sie waren ein Volk, das Böses überwunden hatte und nun sehr viel Güte zeigte. Es war nur richtig, dass nun ausgerechnet sie die Gabe hatten, Pflanzen wachsen und gedeihen zu lassen.
Erinnere dich daran, wenn du aufwachst, Kind
.
Die Seele der Jägerin senkte sich wieder in ihren Körper, und sie hörte das Echo von Etains Worten.
Erzähl meinen
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