Beseelt
ihre Ausdauer erwähnte. Das Tempo, das sie an den Tag legte, wäre für einen Reiter mit einem einzelnen Pferd nicht zu halten. Nicht zum ersten Mal dankte er im Stillen seinem Vater für den Vorschlag, ein zweites mitzunehmen.
Jetzt glaubte er, dass sein Unbehagen nichts mit ihrer anstrengenden Reise zu tun hatte. Bevor Brenna getötet worden war, hätte er jeden Hauch von Vorahnung oder Intuition, der nicht einfach durch Erschöpfung erklärt werden konnte, als Unsinn abgetan. Doch Brennas tragischer Tod hatte ihn gelehrt, dass es sowohl unklug als auch gefährlich war, seine Ahnungen zu ignorieren. Er hatte die schmerzhafte Lektion gelernt. Anders als an dem Tag, an dem Brenna ermordet worden war, würde er wachsam und klug vorgehen, um Brighid zu beschützen. Er würde nicht zulassen, dass man ihm noch eine Liebe entriss. Das würde er nicht überleben. Falls Brighid etwas zustieße, würde seine Seele in so viele Teile zerspringen, dass es unmöglich wäre, sie wieder zusammenzuführen.
Aus diesem Grund behielt er das Schwert griffbereit und schärfte seine Sinne aufs Höchste, während er vor dem Eingang der Höhle ein Feuer aufschichtete, ihre Taschen auspackte und das Fleisch briet, das, wie er hoffte, Brighid zu neuen Kräften verhalf. Als sie sich nicht von ihrem Platz am Rande der Lichtung löste, nahm sein Unbehagen zu. Mit harscherer Stimme als beabsichtigt sprach er sie an.
„Ich dachte, du hast Angst vor Höhen.“
Erst reagierte sie nicht, doch dann zitterte ihr Fell. Der versteinerte Zentaur, zu dem sie in den letzten Minuten geworden war, atmete tief ein und wurde lebendig. Sie drehte sich zu ihm um. Ihre Augen waren dunkel, umschattet von Erschöpfung und Sorge, aber sie lächelte und schaffte es, ihrer Stimme einen neckenden Klang zu geben.
„Warum weiß eigentlich jeder, dass ich keine Höhe mag?“
Er zuckte mit den Schultern und wackelte mit den Augenbrauen. „Ich dachte, es wäre so eine allgemein bekannte Zentaurensache.“ Er hielt einen Weinschlauch hoch und schüttelte ihn ein wenig, damit sie das schwere Schwappen hörte. „Ich habe Wein.“
Seufzend betrat Brighid die Höhle und nahm Cu den Weinschlauch ab. Während sie trank, schaute sie sich um. Die Höhlenöffnung war sehr großzügig. Die Decke lag weit über ihrem Kopf, doch das Innere hielt nicht, was der Eingang versprach. Die glatten sandbraunen Felswände sahen aus, als wären sie mit dem Löffel eines Riesen geformt worden, und nach wenigen Schritten bildeten sie einen Tunnel, der kaum breit genug war für den klaren Wasserlauf. Ihr Lagerfeuer warf tanzende Schatten auf die Wände und tauchte sie in Rot- und Goldtöne. Brighid starrte sie an, bis die Farben ineinander verliefen und miteinander verschwammen und es einen Moment lang so aussah, als hätten die Felsen selbst sich plötzlich irgendwie in Flammen verwandelt. Sie hörte ein Zischen, gefolgt von knisterndem Brüllen, das nicht von ihrem Feuer stammen konnte. Die Hitze fauchte über ihre Haut, und sie schloss die Augen vor deren Wut.
„Brighid!“ Cuchulainn war an ihrer Seite und schob ihr sanft das noch feuchte Haar aus dem Gesicht. „Was ist los?“
Sie schüttelte den Kopf und blinzelte ein paarmal. „Ich bin … ich bin nur müde. Ich muss mich ausruhen.“
Er führte sie zum Feuer zurück, wo er ihre Decken zu einem Bett aufgeschichtet hatte. Sie beugte die Knie und ließ sich auf das Lager fallen. Cu reichte ihr eine Scheibe Brot, die dick mit heißem Braten und würzigem Käse belegt war.
„Iss erst einmal. Danach kannst du schlafen.“
Sie nickte und kaute, auch wenn sie sich seltsam losgelöst von der Wärme fühlte, die sich in ihrem Körper ausbreitete. Sie und Cuchulainn sprachen nicht, doch ihre Blicke trafen sich häufig. Seine waren voller Sorge, in ihren lag Erschöpfung.
„Morgen“, sagte sie, nachdem sie aufgegessen hatte. Er unterbrach seine Tätigkeit, Holz nachzulegen, und schaute fragend auf. „Morgen müssen wir anfangen, uns auf die Suche nach Eponas Kelch zu machen.“
„Gut, so soll es sein. Heute möchte ich, dass du alle Gedanken an die Anderswelt aus deinem Kopf verbannst und einfach schläfst, Brighid.“ Er kniete sich neben sie und gab ihr einen sanften Kuss.
„Ich wache vielleicht erst weit nach Morgenanbruch auf.“ Sie atmete tief seinen Duft ein.
„Es ist egal, wann du aufwachst. Ich werde hier sein“, murmelte er.
Brighid schloss die Augen und überließ ihren Körper und ihren Geist dem Rausch des
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