Beseelt
leise, trat aus dem Wasserfall heraus und schaute auf die Ebene der Zentauren hinunter. Es war noch nicht hell genug, um das wogende Gras und die sanften Hügel zu erkennen. Die Landschaft lag im Halbdunkel, doch der Himmel errötete schon in Erwartung der Sonne, und Brighid sog den nebligen Ausblick förmlich mit ihren Blicken auf.
„Zuhause …“ Wie ein Atemzug strömte das Wort über ihre Lippen und ihre Seele hüpfte vor Freude. „Ich gehe nach Hause.“
Sie ignorierte die Weste, die sie auf den Stein neben den Wasserfall gelegt hatte, denn sie fühlte sich mächtig, schön und leidenschaftlich. Als sie die Höhle betrat, rührte Cu sich, rollte sich auf die Seite und öffnete langsam die Augen. Als er ihre Silhouette gegen den dämmrigen Himmel sah, lächelte er und stützte sich auf seine Ellbogen.
„So wie du da nackt und nass stehst, könntest du ein Mitglied des Feenvolks sein, das sich aus der Anderswelt geschlichen hat“, sagte er mit vom Schlaf rauer Stimme.
„Das überrascht mich nicht.“ Brighid hob die Arme über den Kopf, bereit, den neuen Tag zu umarmen. „Heute Morgen fühle ich mich so anders – als wäre ich nicht von dieser Welt.“
Cuchulainn setzte sich auf. „Du hast dich ja auch verändert, meine schöne Jägerin. Du bist jetzt eine Hohe Schamanin.“
Brighid erwiderte seinen Blick und achtete sorgfältig darauf, ob sie in seinen Augen eine neue Form der Zurückhaltung oder Scheu entdeckte. Dann lächelte sie, weil sie nur Cuchulainn sah und die Liebe, die er für sie empfand.
„Glaubst du, die Leute werden jetzt aufhören, mich Jägerin zu nennen?“
„Würde dich das traurig machen?“, fragte er.
„Ja … ja, das würde es. Im Grunde meines Wesens werde ich immer eine Jägerin sein.“
„Dann …“, er öffnete seine Arme weit, „… wirst du immer meine schöne Jägerin bleiben.“
„Ich hoffe es, Cu. Ich hoffe es wirklich.“ Als er aufstehen wollte, schüttelte sie den Kopf. „Nein. Komm noch nicht zu mir. Warte einen Augenblick.“
Er schaute sie fragend an. „Was führst du im Schilde?“
„Ich … ich bin mir nicht sicher. Gib mir einen Moment Zeit.“
„Ich werde nirgendwo hingehen, Jägerin“, sagte er und lehnte sich wieder auf seine Ellbogen zurück, um einen Schluck aus dem Weinschlauch zu trinken.
Brighid neigte den Kopf und schloss die Augen. Dann schickte sie die neu entdeckten Sinne aus, die im Hain der Göttin in ihr gewachsen waren. Ihre Gedanken wirbelten umher …
Tatsächlich war alles beseelt … miteinander verbunden … Das Seelenreich und die physische Welt waren nichts weiter als Punkte auf einem biegsamen Strahl, der sich biegen, drehen und neu verweben ließ, damit die Punkte der Wirklichkeit und Unwirklichkeit sich treffen und eins werden konnten. Zentaur … Mensch … Frau … Falke … Baum … Grasland … alles hatte eine Seele und war von der Göttin berührt worden. Es war ganz einfach, dieses Wandeln der Gestalt und Formen von Materie …
Brighid hob den Kopf und lächelte ihren Mann glückselig an. „Du musst jetzt sehr still sein. Ich weiß, dass ich das kann, aber ich brauche dein Wort, dass du meine Aufmerksamkeit nicht stören wirst.“
Cuchulainn wirkte mit einem Mal angespannt und ernst. „Brighid, du bist erst letzte Nacht zurückgekehrt. Ich denke, du solltest noch etwas warten, bevor du versuchst …“
Ihr Blick ließ ihn verstummen.
„Glaubst du an mich?“, fragte sie.
„Ja.“
„Begehrst du mich?“
„Natürlich.“ Er nickte. „Ich verstehe, meine Liebste. Du hast mein Wort, dass ich deine Aufmerksamkeit nicht stören werde.“
Sie schenkte ihm ein dankbares Lächeln und richtete ihre Konzentration nach innen.
Hilf mir, Epona, leite mich, führe mich. Ich habe meine neuen Kräfte noch kaum getestet – ich fühle sie, aber ich bin nicht für sie ausgebildet … ich weiß nicht …
Sie atmete tief ein.
Ich kann das hier nicht ohne deine liebvolle Berührung tun
.
Plötzlich fluteten Worte ihren Geist. Brighid neigte den Kopf und verlieh der Magie, die durch ihre Seele floss, eine Stimme.
„Ich bin der Wind, der über das Meer bläst,
ich bin die Welle der Tiefe,
ich bin das Brausen des Ozeans,
ich bin der Hirsch des Waldes,
ich bin der Falke auf der Klippe,
ich bin ein Strahl der Sonne
und die grünste aller Pflanzen.“
Während Sprechtempo und Lautstärke ihrer Stimme sich erhöhten, hob Brighid die Arme, die Handflächen nach außen gerichtet, die Finger weit gespreizt. Sie rief
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