Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Beseelt

Beseelt

Titel: Beseelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Cast
Vom Netzwerk:
zu retten ist.“
    „Ich werde versuchen, weise zu sein, Große Göttin“, versprach er mit erstickter Stimme.
    Die Göttin lächelte und berührte seinen Kopf. Dann wandte sie sich der Jägerin zu.
    „Warum hast du gezögert, aus meinem Kelch zu trinken, nachdem dein Bruder die Lichtung verlassen hat?“
    „Während meiner Jugend erzählte meine Mutter mir verschiedene Geschichten über ihre Suche nach deinem Kelch. Vieles davon habe ich vergessen – und als ihr bewusst wurde, dass ich nicht ihrem Weg folgen würde, hörte sie ganz auf, mit mir über die Anderswelt zu sprechen.“
    „Aber etwas hast du behalten.“
    „Ja. Meine Mutter sagte, bevor ich aus dem Kelch trinke, muss ich mich meinem größten Verbündeten und meinem mächtigsten Feind stellen.“
    „Und die beiden sind ein und dasselbe“, beendete die Göttin den Satz.
    „Ja. Alles, dem ich mich bisher in deinem Hain stellen musste, war mein Bruder. Und auch wenn ich glaube, dass er mein mächtigster Feind sein könnte, ist er doch auf keinen Fall mein größter Verbündeter.“
    „Er ist weder noch“, sagte Epona. Dann zeigte sie auf das Becken. „Schau ins Wasser, Brighid Dhianna, und du wirst finden, was du suchst.“
    Entschlossen drehte Brighid sich um und schaute hinein. Die Flüssigkeit wirbelte herum, beruhigte sich und spiegelte haargenau ihr Gesicht wider. Sie sah genauer hin, beugte sich darüber und zuckte leicht zurück. Sie starrte ihr eigenes Spiegelbild an, doch darin konnte sie deutlich das Gesicht ihrer Mutter erkennen. Und plötzlich verstand sie. Ihr größter Verbündeter und mächtigster Feind war sie selbst. Wenn sie die Macht einer Hohen Schamanin annahm, würde sie auf das trinken, was ihre Mutter korrumpiert hatte – die Fähigkeit zur Manipulation lag auch ihr im Blut. Sie war damit geboren worden – genau wie mit ihren spirituellen Fähigkeiten.
    „Du kannst zulassen, dass dieses Wissen dich paralysiert“, sagte die Göttin. „Oder du akzeptierst, dass diese Fähigkeit ein Teil von dir ist. Du kannst dich gegen diese Schwäche rüsten und gleichzeitig ihre Stärken annehmen.“
    Brighid wandte sich vom Becken ab und erwiderte Eponas Blick. „Warum erlaubst du denen, die sich korrumpieren lassen, aus deinem Kelch zu trinken?“
    Die Göttin lächelte sie freundlich an. „Ich gewähre meinen Kindern den freien Willen. Das ist das größte Geschenk von allen, aber mit dieser Freiheit gehen Schmerz und das Böse einher genau wie Liebe und Mut. Das Gute ist nicht ohne das Böse möglich. Das eine kann nicht ohne das andere existieren.“
    Sie berührte ihr Gesicht in einer mütterlichen Geste, die Brighid die Tränen in die Augen trieb.
    „Nur weil die Möglichkeit besteht, dass mein Geschenk missbraucht wird, muss das nicht heißen, dass das auch eintritt. Denk immer daran, dass ich an das Gute in dir glaube, Brighid.“
    „Danke“, flüsterte sie, dann schloss Brighid eine Hand um den kräftigen Stiel des Kelches, tauchte ihn in das Becken und trank von den lebendigen Wassern, während die Große Göttin und Cuchulainn zusahen.
    Macht durchflutete ihren Körper, und im wirbelnden Chaos spürte sie, wie ihr Geist sich entwirrte und entfaltete. Sie war gleichzeitig Teil der Erde und des Himmels, des Monds, der Sonne und der Sterne. Sie sah, dass wahrlich alles beseelt war und alles miteinander in Verbindung stand. Die Begriffe real und irreal dehnten und beugten sich und mit einem neuen Gefühl dafür, dass das Seelenreich und die physische Welt nicht mehr waren als Punkte auf einem Strahl, der sich biegen, knicken und neu verweben ließ, damit die Endpunkte von Realität und Irrealität sich treffen und eins werden konnten.
    So kann ich gestaltwandeln, um mich mit Cuchulainn zu vereinen. Ich verbiege die Wirklichkeit …
Der Gedanke tauchte aus ihrem verwirbelten Geist auf und erdete sie. Sie blinzelte, um die Vision klar zu sehen, und stand wieder im Hain der Göttin neben dem heiligen Becken, Eponas Kelch noch in der Hand.
    „Brighid?“
    Cuchulainn war bei ihr. Er sah besorgt und ungewohnt blass aus.
    „Alles ist gut.“ Sie schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln und verneigte sich tief vor der Göttin. „Danke für das große Geschenk, Epona.“
    Die Göttin umfasste ihr Kinn, damit die Zentaurin sie anschaute. „Ich glaube, du wirst deine Fähigkeiten weise einsetzen, Kind.“ Sie lächelte. „Jetzt müsst ihr zurückkehren. Ihr tatet recht, euch zu beeilen. Die Zeit ist knapp und ihr habt noch

Weitere Kostenlose Bücher