Beseelt
gleichermaßen.
„Ihr seht beinahe so nachdenklich aus wie der Krieger“, bemerkte Ciara.
Brighid sah die geflügelte Frau an, die ihre gleitenden Schritte ihrem gleichmäßigen Gang anpasste.
„Das kann kein Kompliment sein.“ Sie deutete mit dem Kinn auf Cuchulainns stocksteifen Rücken. „Ich kann mir keinen trostloseren Reisegefährten vorstellen.“
Cu hielt sich konstant am Kopf der Gruppe, sodass er, obwohl er beinahe einhundert gesellige Reisende anführte, den Tag hauptsächlich allein verbrachte. Er sprach so wenig wie möglich und interagierte kaum mit ihnen. Gegen Mittag hatte Brighid es aufgegeben, ihn in eine Unterhaltung einzubeziehen, und – widerstrebend – beschlossen, sich lieber am Rande der jubelnden Kinderschar aufzuhalten als in der dunklen Wolke, die Cuchulainn zu umgeben schien.
Ciaras Lächeln war so warm wie ihre Stimme. „Es war weder als Kompliment noch als Beleidigung gemeint. Es war nur eine Beobachtung, Jägerin.“
Brighid nickte, um ihr zu zeigen, dass sie es verstanden hatte. „Ehrlich gesagt habe ich gerade nicht an Cu gedacht, sondern an die Kinder. Sie halten sich tapfer. Viel besser, als ich erwartet hätte“, gab sie zu.
Ciaras Lächeln wurde noch breiter. „Ich habe Euch doch gesagt, dass sie ungewöhnlich sind.“
Der Wind trug erneut fröhliches Gelächter zu ihnen heran. Brighid schüttelte den Kopf. „Sie sind anomal.“ Bei diesen Worten schwand der fröhliche Ausdruck auf Ciaras Gesicht, und Brighid erkannte ihren unabsichtlichen Fauxpas. „Jetzt muss ich mich wohl erklären. Ich meinte das nicht als Beleidigung“, sagte sie schnell. „Ich muss zugeben, ich habe nicht viel Zeit mit Kindern verbracht – das Leben einer Jägerin beinhaltet selten einen Partner und Nachwuchs. Aber nach dem wenigen, das ich weiß, hätte ich nicht einen solchen …“ Sie suchte nach dem richtigen Wort. „Ich hätte nicht solch einen Optimismus erwartet.“
Ciaras Gesicht entspannte sich und nahm den vertrauten, offenen Ausdruck an. „Wie könnten sie nicht voller Optimismus stecken? Ihr großer Traum wird wahr – unser aller Traum wird wahr.“
Wie üblich sprach Brighid aus, was ihr gerade durch den Kopf ging: „Ihr glaubt doch aber nicht, dass es leicht wird, nach Partholon zurückzukehren.“
„Leicht ist relativ, meint Ihr nicht?“
Brighid sah sie fragend an.
„Überlegt einmal, Jägerin, wie Ihr Euch fühlen würdet, hätte Euer Volk einhundert Jahre in einem kargen, gefährlichen Land gelebt – mit Dämonen in der Seele, die Euch und Eure Liebsten langsam und methodisch zerstören, und Ihr wärt unbeschadet davongekommen. Was würde einem nach diesem Leben nicht leicht vorkommen?“
„Ciara, Partholon ist ein wunderschönes, blühendes Land, aber Ihr müsst bedenken, dass es viele Arten der Gefahr gibt und viele Arten, eine Seele zu zerstören.“
Die Schamanin sah sie eindringlich an. „Mit Eponas Hilfe werden wir diesen Übergang überleben.“
Brighid musterte Cuchulainns kerzengeraden Rücken. Manchmal konnte ein kurzes, schnelles Ende schmerzloser sein, als zu überleben.
Ciara folgte ihrem Blick, und als würde sie ihre Gedanken lesen, sagte sie: „Die Seele dieses Kriegers ist zerschmettert.“
Brighid schaute die geflügelte Frau an.
„Darf ich Euch etwas fragen, Jägerin?“
„Ja, dürft Ihr. Ich kann jedoch nicht versprechen, dass ich antworten werde.“
Ciaras Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln. „Ich möchte nicht neugierig sein – oder Euch zu nahe treten, aber als Schamanin fällt es mir schwer, zuzusehen, wie jemand leidet, ohne dass ich versuche …“ Sie zögerte und zuckte unruhig mit den Schultern.
„Er wird Eure Hilfe nicht annehmen“, sagte Brighid freiheraus.
„Dessen bin ich mir bewusst, aber es gibt Wege, wie ein Schamane auch ohne die Zustimmung des Patienten helfen kann.“
Als sie ihren skeptischen Blick bemerkte, lachte Ciara. „Ich kann Euch versichern, dass mich selbstlose Gefühle leiten. Niemals würde ich in die Privatsphäre des Kriegers eindringen.“ Sie wurde wieder ernst. „Er leidet solche Qualen, dass ich nicht einfach danebenstehen kann, ohne wenigstens zu versuchen, ihm etwas Erleichterung zu verschaffen.“
Brighid spürte die Wahrheit in diesen Worten tief in ihrem Inneren. „Stellt Eure Frage, Schamanin.“
„Wie war Cuchulainn vor dem Tod seiner Geliebten?“
Die Frage verstörte Brighid. Sie hatte erwartet, dass Ciara sie nach Brenna oder deren Tod fragen würde
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