Beseelt
Kinder über diesen Pass führen. Nicht in einigen Tagen und auch nicht in einigen Mondphasen.“
Cuchulainn polterte los, aber Ciara unterbrach seine Tirade mit ruhiger Stimme: „Was meint Ihr damit, Brighid?“
„Ich meine, dass es eindeutig zu gefährlich ist. Vielleicht war es anders, als Cu vor zwei Monden hier vorbeigekommen ist, zurzeit wäre es sogar für viele der Erwachsenen eine anstrengende Reise. Für die Kinder wäre sie schlicht unmöglich.“
„Unsere Kinder sind außergewöhnlich“, sagte Ciara sanft. „Sie sind nicht wie Menschenkinder.“
„Es sind trotzdem Kinder. Egal wie stark sie sind, ihre Beine haben nur eine bestimmte Länge. Ich habe sie beobachtet. Einige können noch nicht richtig laufen, andere Kinder oder Erwachsene müssten die Jüngsten tragen. Das würde die Gefahr und den Schwierigkeitsgrad verdoppeln.“
Brighid sprach sachlich mit der logischen, gefühllosen Stimme einer Jägerin, die die beste Strategie zur Jagd erörterte.
„Bist du dir sicher? Selbst wenn wir sie in kleinen Gruppen hinüberführen?“, hakte Cuchulainn nach.
„Kleine Gruppen wären besser, aber immer noch gefährlich. Die Überquerung würde sich lange hinziehen, also könnte es sein, dass wir gezwungen wären, die eine oder andere Nacht auf dem Pass zu verbringen, ohne ein wärmendes Feuer zu haben.“ Brighid schaute die Schamanin an, die von leichter Hand ein Feuer entzünden konnte. „Die Wärme des Feuers würde sich auf den Schnee auswirken, der an den Berghängen bereits zu tauen beginnt.“
„Lawinen“, sagte er. Ärgerlich über sich selbst, schüttelte er den Kopf. An all das hatte er nicht gedacht, obwohl es seine Aufgabe gewesen wäre. „Aber mit kleinen Gruppen würde es funktionieren?“
Brighid zuckte mit den Schultern. „Ich nehme es an.“
Die dunklen Augen der Schamanin suchten ihren Blick. „Wenn es Eure Kinder wären, würdet Ihr das Risiko eingehen, sie über den Pass zu führen, und sei es in kleinen Gruppen?“
„Nein.“
„Wenn Ihr Eure Kinder nicht hinüberführen würdet, werde ich es auch unseren nicht gestatten“, sagte Ciara.
Cuchulainn war überrascht über die schnelle Entscheidung der geflügelten Frau, aber es war ihr Volk und somit ihre Wahl. „Dann werden wir bis zum Spätsommer warten müssen, bis es keinen Schnee mehr an den Berghängen gibt, um die Kinder hinüberzubringen“, sagte er langsam. Er spürte bereits deren Enttäuschung, wenn sie erfuhren, dass sie noch weitere Mondphasen warten mussten, bis sie in das Land ihrer Träume reisen konnten.
„Nicht unbedingt“, sagte Brighid.
„Aber du hast doch gesagt …“, setzte er barsch an, wurde aber von ihr unterbrochen.
„Ich sagte, dass diese Route für die Kinder zu gefährlich ist, aber das ist nicht der einzige Weg nach Partholon.“
Er hob überrascht den Kopf. „Der Pass an der Wachtburg!“
„Genau.“
Die Jägerin sah sehr zufrieden mit sich aus.
„Daran hatte ich gar nicht gedacht, aber du hast recht. Das ergibt am meisten Sinn. Er ist breiter, besser erkundet und in gutem Zustand. Vielleicht ist er sogar jetzt schon passierbar.“
„Er wird von den Kriegern der Wachtburg bewacht.“ Ciaras sanfte Stimme zitterte leicht. „Ihr einziger Auftrag ist es, die Fomorianer davon abzuhalten, Partholon zu betreten.“
„Ihr seid nicht unsere Feinde. Dafür hat das Opfer meiner Schwester gesorgt“, sagte er rau.
„Aber
sie
ist dort eingekerkert.“
Cuchulainn zuckte zusammen, als hätte ihn jemand geschlagen. Die Person, von der Ciara sprach, war Fallon, die wahnsinnige Hybride, die Brenna ermordet hatte. Elphame hatte sie dafür zum Tode verurteilt, doch die Hybride war schwanger, und nicht einmal er war gewillt, ein unschuldiges Kind zu opfern, um die Schuld der Mutter zu begleichen. Also war Fallon zur Wachtburg gebracht worden, wo sie bis zu ihrer Niederkunft eingesperrt blieb. Danach würde man sie hinrichten.
„Ja“, erwiderte er kurz angebunden. „Dort wird Fallon gefangen gehalten.“
„Werden die Menschen dann nicht annehmen, wir sind wie sie?“
Die unterschiedlichsten Gefühle spiegelten sich in Ciaras Augen wider.
„Werden sie uns nicht bereits hassen?“
„Ihr seid für Fallons Taten nicht verantwortlich“, sagte Brighid. „Sie hat sich für Wahnsinn und Gewalt entschieden, das habt Ihr nicht getan.“
„Die Krieger sind ehrenhafte Männer und Frauen. Sie werden Euch gerecht behandeln“, beruhigte er sie.
Brighid warf Cuchulainn einen Blick
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