Beseelt
der Mondphase. Ihr Mitgefühl war der Grund gewesen, weshalb sie die geliebte Ebene der Zentauren und ihre Familie verlassen und mit der Tradition gebrochen hatte.
Es war die richtige Entscheidung gewesen. Sie hatte den richtigen Weg für ihr Leben eingeschlagen. Jetzt würde sie Cuchulainn aufspüren, ihn wissen lassen, dass er nicht alleine war, und dann das Einzige tun, worauf ihre Ausbildung als Jägerin sie vorbereitet hatte. Sie würde ihm sagen, dass sie die erste Wache übernähme, damit er seinen wohlverdienten Schlaf bekäme. Einfach. Klar. Genau so, wie sie es am liebsten hatte.
Aber wo war Cu? Bei der Göttin, außerhalb der Reichweite des Feuers war es stockfinster. Finster und kalt. Brighid zitterte, als der unersättliche Wind über ihre Haut leckte. Sie würde verdammt froh sein, wenn sie erst wieder in Partholon und der Wärme der Burg MacCallan wären.
Ein gedämpfter Laut zu ihrer Linken ließ sie abrupt stehen bleiben. Sie lauschte mit dem feinen Gehör der Jägerin. Das Geräusch ertönte erneut. Brighid wandte sich in die entsprechende Richtung, wobei sie beinahe über Fand gestolpert wäre, die daraufhin ein tiefes Knurren ausstieß.
„Führe mich nicht in Versuchung, dich zu treten“, warnte sie die noch nicht völlig ausgewachsene Wölfin. Fand zog sich zurück, allerdings nicht, ohne der Jägerin einen Blick zuzuwerfen, der teils reuig, teils eine Warnung war.
Zumindest wusste sie jetzt, dass Cuchulainn sich in der Nähe aufhielt. Die Wölfin entfernte sich nie weit von ihm. Fands unterdrückt aggressive Reaktion verriet ihr aber auch, dass Cu sehr verstört war – so verstört, dass die Wölfin das Gefühl hatte, ihn sogar vor Freunden beschützen zu müssen.
Beinahe hätte sie ihn nicht gesehen. Wenn der Mond nicht sein schwaches Licht in dem Moment durch ein Loch in der Wolkendecke geschickt hätte, in dem Cu sein tränenüberströmtes Gesicht hob, wäre sie glatt an ihm vorbeigelaufen. Seine Tränen verrieten ihn.
Verdammt!
Sie hatte nicht erwartet, ihn weinend vorzufinden! Sie hatte mit Wut gerechnet, war darauf vorbereitet, sich von ihm beschimpfen zu lassen. Das hätte sie verstanden, damit könnte sie umgehen. Aber als er sich zu ihr umdrehte, passierte etwas völlig Unerwartetes. Sie empfand eine Spiegelung seines Schmerzes, die von mehr verursacht wurde als dem Band der Clanzugehörigkeit oder ihrer Freundschaft. Sie reagierte mit dem Mitgefühl einer Schamanin, und diese Erkenntnis verstörte sie zutiefst. Sie wollte weglaufen, das Erbe verleugnen, das durch ihre Adern floss, doch sie konnte es nicht. Das wäre feige, und Brighid Dhianna, Jägerin der MacCallan, war kein Feigling.
„Cu“, sagte sie sanft und berührte seine Schulter.
Er zuckte vor ihr zurück, als hätte sie ihn verbrannt.
„Macht es dir Spaß, mir Qualen zu bereiten?“
„Nein.“
„Warum tust du es dann?“
Er klang nicht wütend. Er klang geschlagen.
„Du musst weitermachen, Cu. Du musst einen Weg finden, ohne sie zu leben. Und das kannst du nicht, indem du ihre Erwähnung vermeidest.“
„Woher willst du das wissen?“ Unter seiner Apathie regte sich langsam Wut. „Woher willst du irgendeine Ahnung davon haben?“
„Du bist nicht der Erste, der einen geliebten Menschen verloren hat. Du hast nicht das alleinige Recht auf Trauer, Cuchulainn.“ Sie überlegte kurz, ihm ihre Geschichte zu erzählen, doch ihr Bauchgefühl riet ihr ab. Da sie sich vollkommen außerhalb ihres Elements fühlte, blieb ihr nichts anderes übrig, als darauf zu hören. „Sieh dich um. Wie viele der Hybriden haben ihre Partner oder Eltern oder Kinder durch Selbstmord und Wahnsinn verloren? Wieso ist Brennas Tod so viel tragischer? Seit zwei Monden schon bist du von Menschen umgeben, die Verluste erlitten haben, die jede andere Rasse längst ausgelöscht hätten. Und doch haben sie nicht nur überlebt, sondern finden auch noch Spaß und Glück in diesem Leben. Du hast es selbst gesehen. Wie kann es sein, dass dich das überhaupt nicht berührt? Vielleicht hatte Brenna recht, als sie dich selbstsüchtig nannte.“
Mit den blitzschnellen Reflexen des gut ausgebildeten Kriegers zog Cuchulainn seinen Dolch und presste ihn ihr an die Kehle, doch sie zuckte nicht zurück. Sie erwiderte den schmerzerfüllten Blick aus seinen weit aufgerissenen Augen mit stoischer Ruhe.
„Das bist nicht du, Cuchulainn. Der Mann, den ich kenne, würde niemals die Hand gegen ein Clanmitglied erheben.“
Er blinzelte und stolperte ein
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