Beseelt
hingegangen sein könnte.“
Ciara atmete erleichtert auf. „Daran habe ich gar nicht gedacht! Natürlich, er muss der Jägerin gefolgt sein.“
„Ich würde mich nicht zu sehr darüber freuen. Brighid ist nicht sonderlich angenehm, wenn sie wütend ist.“ Sie ist ja sogar kratzbürstig, wenn sie nicht wütend ist, dachte er. „Der Junge wird eine Lektion darin erhalten, wie es wirklich ist, der Lehrling einer sauertöpfischen alten Jägerin zu sein.“
„Alt?“ Ciara lachte. „Brighid ist jung und attraktiv.“
Cu schnaubte. „Aber im Inneren ist sie alt – alt und kratzbürstig.“
Während die Schamanin noch lachte, spürte er es auf einmal. Er zog abrupt die Zügel an. Ein Gefühl der Freude, jugendlicher, ungebundener Freude, durchfuhr ihn und ließ ihn überrascht nach Luft schnappen.
„Cuchulainn, was …?“
Er hörte nicht, was Ciara sagte. Zusammen mit der Fröhlichkeit kam ein weiteres Gefühl, das er schon seit vielen Mondphasen nicht mehr gespürt hatte, eine Ahnung. Das Wissen um das, was gerade passierte, setzte sich in seinem Geist fest wie ein Albtraum. Vor seinen mit einem Mal blinden Augen sah er Brighid, die ihre Hände an die Wand des Passes presste, Blut floss an der Felswand hinunter.
Verdammt, Cuchulainn! Ich brauche deine Hilfe! Komm zu mir!
Die Worte dröhnten durch seinen Kopf.
„Brighid!“, rief er aus. Die Vision verschwand. Mit ihr verschwand das flüchtige Gefühl, glücklich zu sein, und er fand sich in der Gegenwart wieder.
Ciara hatte seinen Arm gepackt und schaute ihn besorgt an.
„Was hast du gesehen? Was ist mit Brighid?“
„Sie ruft mich.“ Er löste sich von ihr. „Sag den Erwachsenen, sie sollen die Kinder dicht bei sich behalten und wachsam sein.“
„Mach dir um uns keine Sorgen. Geh zu ihr.“
Ohne zu antworten, bohrte Cuchulainn dem Wallach die Fersen in die Flanken und ließ die Zügel schießen.
18. KAPITEL
D er heulende Wind war verebbt. Liams kleine Schmerzenslaute und ihre gemurmelten Ermutigungen klangen auf einmal unnatürlich laut in dem hallenden Pass, sodass sie Cuchulainn bereits hörte, bevor sie ihn sah.
„Dank der Göttin“, stieß Brighid aus. „Du machst das so gut, mein Tapferer.“ Sie lächelte Liam an.
„Ich will tapfer sein. Jägerinnen sind immer tapfer“, sagte er.
„Du wirst mal eine hervorragende Jägerin, Liam.“ Was sollte sie auch sonst sagen? Wenn ihm die Vorstellung, eine Zentaurin zu sein, half, die Schmerzen zu ertragen und nicht über den Abgrund zu stürzen, dann sollte er gerne weiter seine Fantasie ausleben.
Bevor sie sich umdrehte, um Cu zu begrüßen, warf sie einen Blick zur anderen Passseite. Sie war leer. Kein in einen dunklen Umhang gehüllter Krieger mit schwarzem Bogen. Kein goldener Falke, der Angriffe flog. Wo waren sie hin? Sie konnten keine Halluzination oder Geistererscheinung gewesen sein. Liams Wunde war der Beweis, dass sie sich nicht alles nur eingebildet hatte.
Der Wallach erreichte den breiteren Teil des Passes. Cus Blick fiel auf sie, die noch immer dicht an der Wand stand. Metallisches Klirren durchschnitt die Luft, als er sein Schwert aus der Scheide zog.
„Es geht um Liam!“, rief Brighid und zeigte zu dem kleinen, zusammengesackten Schatten, der gefährlich über dem Abgrund hing.
Der harte, zum Gefecht bereite Ausdruck in Cus Gesicht wurde sichtbar weicher. Schnell lenkte er sein Pferd um die Findlinge herum, die ihn von ihr und Liam trennten, und galoppierte an ihre Seite.
„Bei der Göttin! Was ist passiert?“
„Sei nicht böse auf mich, Cuchulainn“, flehte Liam mitleiderregend.
„Sag ihm, dass du nicht böse auf ihn bist“, flüsterte Brighid ihm zu.
Cu sah sie erstaunt an, rief aber zu dem Jungen hinauf: „Ich bin nicht böse, Liam.“
„Cu ist hier, um dir zu helfen, mein Tapferer“, sagte sie. „Bleib einfach still liegen, er wird dich herunterholen.“ Sie wandte sich an Cuchulainn und sprach schnell und leise: „Ein Bogenschütze hat ihn erwischt.“ Sie zeigte auf die Stelle, wo bis vor kurzer Zeit noch der Krieger gestanden hatte. „Von dort drüben. Er ist jetzt fort. Ich weiß nicht, wohin.“
„Hat er gesehen, dass du bei dem Jungen warst?“
Brighid schüttelte den Kopf. „Nein, erst nachdem er ihn schon angeschossen hatte. Er sah geschockt aus, als er mich sah.“ Sie vermied es sorgfältig, den goldenen Falken und die Stimmen in ihrem Kopf zu erwähnen.
Cuchulainn sah sie nachdenklich an. „Wie war der Schütze
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