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Beseelt

Beseelt

Titel: Beseelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Cast
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schmalen Pfad über ihr bewegte. Es gab kein Kichern, kein Flattern von Flügeln, keinen endlosen Fluss an Fragen. Vielleicht war das der Schlüssel, wie man die Kinder unter Kontrolle hielt: Man musste sie beschäftigen. Sie schaute gerade in dem Moment nach oben, als eine der Flügelspitzen verschwand. Die Wände des Passes verliefen in einer scharfen Rechtskurve, der Liam auf der Suche nach den Ziegen folgte.
    Nein, sie sollte es besser wissen. Sie hatte keinerlei Kontrolle über ihn. Er war in seine Fantasiewelt abgetaucht, in der er eine magische zentaurische Jägerin war. Es handelte sich um reinen Zufall, dass ein Teil seines Spiels beinhaltete, sich vollkommen ruhig zu verhalten. War sie als junges Mädchen genauso gewesen? Voller Fantasie und Träume, unaufhörlich redend und herumzappelnd? Brighid seufzte. Sie konnte sich nicht einmal daran erinnern, überhaupt jemals so jung gewesen zu sein. Es kam ihr vor, als wäre sie alt geboren worden, erdrückt von Traditionen und den Erwartungen ihrer Mutter.
    Die Brise, die plötzlich auffrischte, fühlte sich mit einem Mal einige Grade kühler an. Brighid erschauerte und schaute in Richtung der untergehenden Sonne. Wie lange waren sie und Liam schon auf der Jagd? In diesem tunnelartigen Abschnitt des Passes bestanden die glatten Seitenwände beinahe vollkommen aus grauem Stein. Kein Wunder, dass es hier dunkler war. Die roten Felsen hatten wenigstens etwas Helligkeit in die schattige Schlucht gebracht. Das Grau hingegen schien das schwindende Licht der Sonne förmlich aufzusaugen, als wollte es die Seele des Tages vernichten.
    Brighid schüttelte sich noch einmal und spürte, wie die feinen Härchen in ihrem Nacken sich aufrichteten. Ihr Blick glitt die grauen Felswände hinauf. Wo war der Junge hin? Sie konnte nicht um den scharfen Vorsprung herumsehen.
Verdammt!
Er dürfte nicht weit vor ihr sein. Sie blieb stehen und lauschte. War das das Meckern einer Ziege? Sie war sich nicht sicher und konzentrierte sich stärker …
    Das Kreischen, das über ihr erklang, ließ sie automatisch einen Pfeil aus dem Köcher ziehen und ihren Bogen so schnell spannen, dass ein Beobachter nicht mehr gesehen hätte als eine verschwommene Bewegung. Sie zielte in Richtung des Klangs – und ihr stockte der Atem.
    Über ihr kreiste ein silberner Falke mit goldfleckigen Flügeln. Als hätte er auf ihre volle Aufmerksamkeit gewartet, schwebte er auf der Luftströmung herunter, legte die Flügel an und schoss direkt auf sie zu. Sie fühlte sich wie zu einer Statue erstarrt, den Bogen in der Hand, und nicht in der Lage, irgendetwas anderes zu tun, als den wunderschönen Vogel anzuschauen, der durch die Luft segelte. Die goldenen Augen des Falken hielten ihren Blick, und in ihren Tiefen sah die Zentaurin das Spiegelbild ihrer eigenen Seele.
    Brighid spürte die Verbindung.
Freiheit … Mut … ein Kämpfer für Gerechtigkeit … ein Krieger … Macht, die richtig eingesetzt wird
.
    Die Worte tosten durch ihre Gedanken, gesprochen von einer klaren, ihr unbekannten Stimme.
    Ich gehöre zu dir und du zu mir. Es ist an der Zeit, dass du unser Band anerkennst, Schwester
.
    Der Falke kreischte erneut, während er so dicht über ihren Kopf sauste, dass der Wind unter seinen Flügeln ihr Haar aufwirbelte. Wie die nervtötenden schwarzen Fliegen aus dem Unterland biss irgendetwas sie fest mitten in den Rücken ihres Pferdekörpers.
    Ein Geschenk. Etwas, das zu lange verborgen war … genau wie unser Band und die Macht, die dein Erbe ist
.
    Vollkommen aus dem Gleichgewicht wirbelte Brighid herum und schaute dem silbernen Falken hinterher. Ihr Körper zuckte immer noch wegen des Bisses. Hatte der verdammte Vogel sie mit seinen Krallen verletzt?
    Sieh nach unten
.
    Brighid senkte den Blick und sah den Stein. Seine satte, blaugrüne Färbung hob sich eindrucksvoll vom öden Schieferweg ab. Eine Oase der Farbe in einer grauen Wüste. Sie hob ihn auf, fasziniert von seiner brillanten Farbgebung und dem Gefühl von Weichheit und Wärme, das er auf ihrer Hand hinterließ. Er erinnerte sie an etwas …
    Über ihr kreischte der kreisende Falke erneut, und ihr Kopf schoss nach oben.
    Er braucht dich
.
    „Er?“, rief sie zu ihm hinauf.
    Die Stimme in ihrem Kopf war ein lauter Schrei.
Liam!
    Liam? Brighid fiel in kontrollierten Galopp und schob den Stein in die Innentasche ihrer Weste. Während sie vorwärtseilte, spürte sie, wie seine harte, runde Form sich an ihre weiche Brust drückte.
    Die zerklüfteten

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