Besessen
zitterte, nicht vor Angst, sondern vor Empörung. Zur Steigerung seiner Pein zog sie die Arme noch mehr zusammen und hob das Hemd einen kritischen Zentimeter höher.
„Ich weiß nicht“, gab er zu, unfähig, sie anzusehen oder auch nur in ihre Richtung zu blicken. „Es tut mir leid.“
Es war das erste Mal, dass er diese Worte im Ernst von sich gegeben hatte. Diese Erkenntnis schockte ihn etwa so, als wäre er vom Blitz getroffen worden.
Er sagte es gleich noch einmal, diesmal für die sträfliche Art, wie er sich ihr aufgezwungen hatte. „Es tut mir leid“, murmelte er wieder und dann wieder, für jedes harte Wort,das sie von ihm ertragen musste. Und für die Tatsache, dass sie in seines Vaters Verrat gefangen war, und dass sie das schließlich ihr Leben kosten würde.
Und sie würde sterben. Es gab keinen Weg, das zu verhindern. Gegen den mächtigen Kult seines Vaters konnte er sich nicht stellen. Cyrus war ein Niemand, ein Nichts, ohne jede Macht, die er nutzen könnte und ohne Reichtum, mit dem er in der Lage wäre, zu verführen.
Erst jetzt begriff er mit aller Konsequenz den Schrecken der Menschlichkeit. Sie waren der Gnade des Schicksals ausgeliefert, er und seine Mouse, so wie er der Gnade der Marotten seines Vaters für Jahrhunderte unterworfen war.
Es gab nur einen Weg, das, was er über Pläne seines Vaters wusste, zu seinem Vorteil zu nutzen. Wenn sie ihn verwandelten, könnte er Mouse verwandeln.
Cyrus erinnerte sich an seine Frauen. Wie er jede von ihnen geliebt und dann an seinen Vater verloren hatte. Wie sie gestorben waren, voller Hass auf Cyrus. Aber sie hatten ihn von vornherein nicht wirklich geliebt. Vielleicht hatten sie als Menschen irgendeine Zuneigung zu ihm gehabt, aber nachdem er sie verwandelt hatte, veränderten sie sich. Die Erste wurde eine achtlose Hure, die ihr Vergnügen suchte, wo immer sie es finden konnte, aber nie mehr in Cyrus’ Bett zurückkehrte. Die Zweite hatte inbrünstig gebetet, dass der Herr Mitleid haben und ihre Seele retten solle. Beide hatten sich das Leben genommen. Die eine hatte sich dem Sonnenlicht ausgesetzt, die andere war in eine Wanne voll Weihwasser gesprungen. Alle anderen, einschließlich seiner geliebten Elsbeth, waren seines Vaters Appetit nach Macht zum Opfer gefallen.
Cyrus konnte nicht zulassen, dass Mouse ebenfalls so ein Ende nahm.
Immer noch endete seine Litanei der Entschuldigung nicht, ebenso wenig wie die stechenden Tränen, die ihm in die Augen stiegen. „Es tut mir leid.“
Mouse kniete neben ihm auf dem Bett. Dann verwandelte sie sich von einem Dämon der Lust, der ihn unbewusst gepeinigt hatte, in einen Engel des Erbarmens, während sie die Arme um ihn legte.
Niemand hatte ihn je auf diese Weise getröstet. Am nächsten herangekommen war die elende Carrie, kurz bevor ihre Klinge sein Herz zerteilt hatte. Er ließ Mouse seine Haare streicheln und lehnte sich, auf ihr zartes Drängen hin, an sie. Es war eine schmachvolle Angelegenheit, vor einer Frau zu weinen wie ein Weib. Früher hätte er sie umgebracht, sobald er sich erholt hatte. Nun war ihr Tod das Einzige, was er fürchtete, und der schreckte ihn mehr als die Aussicht auf seinen eigenen.
Seine Angst verwandelte sich zu einer alles absorbierenden Verzweiflung, und er klammerte sich an sie, obwohl er wusste, dass seine Finger die verletzliche Haut unter ihrem T-Shirt quetschten. Sie sagte nichts. Der Ton ihrer Stimme überstieg nie das Murmeln, während sie ihn mit arglosen Worten der Beruhigung tröstete.
Ihre Zärtlichkeit verstärkte seine Verzweiflung noch. Sie verdiente das alles nicht. Es gab so viele Leute, die er gern an ihrer Stelle hätte sterben sehen, aber so sollte es nicht sein.
Cyrus nahm ihr Gesicht in seine Hände und sah ihr in die Augen. Er musste sich vergewissern, ob sie verstand. „Wenn wir das hier überleben, werde ich dir alles geben, wonach du dich je gesehnt hast.“
Zärtlich nahm sie seine Hände in ihre und senkte sie sanft auf seine Knie. „Das musst du nicht.“
Sie sagte das, um ihn zu besänftigen, das wusste er, weilsie ihm nicht glaubte. Oder vielleicht hatte er sie erschreckt? Er nahm ihre Schultern und zog sie an sich, versuchte die Tiefe seiner Gefühle durch einen gezwungenen, unbeholfenen Kuss zum Ausdruck zu bringen.
Sie widerstand ihm nicht, aber sie erwiderte seinen Kuss auch nicht mit der Begeisterung, die er erhofft hatte, doch ihr warmer Mund öffnete sich unter seinem, dann verhallte ein Laut der Überraschung in
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