Besessen
ihrer Kehle.
Das war genau das, worauf er aus war. Einvernehmen. Nicht mit dem, was er ihr geben konnte, sondern mit seinem Willen, es zu tun. Er hatte, was er sich wünschte, und er würde nicht um mehr bitten müssen.
Mouse sah verwirrt aus, als er von ihr abrückte. Cyrus küsste ihre Wange, um sie zu beruhigen. „Lass uns schlafen gehen.“
Wenn er ihr vorgespielt hätte, der neue Tag am Horizont brächte sie nicht einen Tag näher ans unweigerliche Ende, vielleicht hätte er sich jetzt sogar selbst geglaubt.
10. KAPITEL
March
Wieder lag ich in Cyrus’ Bett. Kerzenlicht flackerte auf den cremefarbenen Wänden. Hauchdünne Gardinen wehten in einem kühlen Nachtwind. Es war ein Traum. Das wusste ich, weil ich in dem zunehmend unbequemeren Laster schlafen gegangen war. Und auch, weil Nathan an meiner Seite lag.
Er berührte mein Gesicht, und ich schmiegte mich an seine Handfläche. „Du bist tot.“
Das war nicht das, was ich sagen wollte. Ich wusste, dass er nicht tot war. Sein Entsetzen und seine Qual erreichten mich unablässig durch das Blutsband. Irgendwann war es so überwältigend gewesen, dass ich auf den Standstreifen fahren und mich darauf konzentrieren musste, die Stimme in meinem Kopf zu blockieren. Dann war ich den Rest der Nacht unter Tränen gefahren und hatte gebetet, dass er nicht glaubte, ich hätte ihn verlassen.
In meinem Traum lächelte er. „Ich bin nicht tot. Ich bin hier.“
Seine Schreie hallten noch immer, um Hilfe flehend, wie ein Echo in meinem Kopf. Es gab einen verrückten Stereoeffekt, und die Schallwellen verzerrten sichtbar die Luft um uns herum. „Hast du das gehört?“
Natürlich hat er das gehört. Er hat es gesagt.
Aber Nathan lächelte nur, achtlos gegenüber meiner Unruhe. „Wo willst du hin?“
Die Folterschreie spalteten erneut die Luft. „Ich weiß, dass ich das nicht träume.“
Ich war nicht sicher, ob er mich gehört hatte, also versuchte ich die Worte zu wiederholen. Nur um zu merken,dass die Schreie jetzt aus meinem Mund kamen.
Nathan zog mich in seine Arme. Er fühlte sich genau so an, wie er es im wirklichen Leben getan hatte, kalt und fest.
„Du musst nicht wegrennen“, flüsterte er in meine Haare. „Bitte, lauf nicht vor mir weg.“
Ein Tropfen Karmesinrot platzte auf die bleichen Laken.
„Du blutest.“ Ich bemerkte diesen Umstand mit Desinteresse. Die ganze Szene war langweilig, laut und ärgerlich. Ich setzte mich auf, und Nathan plumpste auf die Matratze, die jetzt rot durchtränkt war, denn er blutete aus den geheimnisvollen Zeichen, die in seine Haut geritzt waren.
„Carrie, bitte.“
Ich wandte mich ab. Durch die Magie des Träumens stand ich plötzlich auf meinen Beinen. Ein einziger Schritt brachte mich weit genug vom Bett weg, sodass ich Nathan nicht mehr hören und kaum noch sehen konnte. Auf der anderen Seite des unmöglich langen Raumes wartete Cyrus auf mich, und ich ging zu ihm.
„Nathan braucht dich“, sagte mein früherer Erschaffer ohne den gewohnten Spott in seiner Stimme. „Willst du nicht zu ihm gehen?“
Ich schüttelte den Kopf. „Es liegt jetzt außerhalb meiner Macht.“
Cyrus’ Arme umfingen mich, aber seine Hände verwandelten sich zu Klauen, die sich in mein Fleisch bohrten. Ich sah in seine Augen. Sein Gesicht verformte sich grotesk und wurde dann zu Nathans. Er schrie so laut und so lange, dass ich glaubte, ich könnte es nicht aushalten.
Als ich fürchtete, von dem Klang wahnsinnig zu werden, wachte ich auf. Mein Handy klingelte an meiner Seite. Immer noch betäubt durch den wilden Traum griff ich danach.
„Wir ziehen heut Nacht nach Nevada.“
Byron. „Danke für die Neuigkeiten.“
Er gackerte. „Ich dachte, Sie würden das gerne wissen, dann hätten Sie einen Vorsprung. Tauchen Sie auf, bevor wir Ihren Mann kriegen.“
„Er ist nicht mein Mann.“ Die Verleugnung entfuhr mir, ehe ich mich bremsen konnte. Mühsam räusperte ich meine verdorrte Kehle frei. „Ich meine, ich suche nach ihm, aber …“
„Mir ist das doch ganz gleich“, näselte Byron. „Haben Sie schon gefrühstückt?“
„Nein. Ich hab verschlafen.“ In Wahrheit war mein Blutvorrat so beträchtlich zur Neige gegangen, dass ich angefangen hatte zu rationieren, wodurch meine Energie zu schwinden begann. Ich wusste nicht, in welcher Verfassung ich Cyrus antreffen würde. Wenn sie ihn verwandelt hatten, musste ich ihn am Leben erhalten, bis wir nach Michigan kamen. Mit dem, was ich noch aufbewahrte, würden wir
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