Besessen
Stacey Pickles fehlte weiterhin jede Spur, doch die Polizei hatte die Leichen der beiden anderen Opfer entdeckt. Der Zustand der Leichen ließ darauf schließen, dass nicht alles mit rechten Dingen zugegangen war, und jeder, der Informationen zum Aufenthaltsort des vermissten Mädchens geben konnte, sollte sich bei den örtlichen Behörden melden.
Ich war ziemlich sicher, dass ich mit den Hinweisen aus den Zeitungsartikeln und der Karte, die mir March gegeben hatte, den Ort der Kirche finden konnte. Weniger sicher war ich mir, ob ich ihn finden würde, bevor die Fangs mit Cyrus das veranstalteten, was immer sie mit ihm vorhatten. Und dann war da noch das kleine Problem, wie ich ihn dazu bringen sollte, mit mir mitzugehen. Aber im Moment, so sagte ich mir, begrenzte negatives Denken nur meine Chancen auf Erfolg.
Außerdem hatte ich immer noch das Chloroform.
Es war an der Zeit. Bereit oder nicht bereit, ich würde mich Cyrus stellen müssen.
Jemand klopfte laut an der Beifahrerseite meines Lasters, und ich wäre vor Schreck fast mit dem Kopf gegen das Dach geknallt. Byron blickte mit einem dümmlichen Grinsen durch das Fenster. „Hallo! Verbringen Sie eine schöne Zeit?“
Blitzschnell warf ich mich über den Sitz, stieß die Tür auf und packte ihn am Kragen seines tuntigen, rüschenbesetzten Hemds. Er protestierte heftig, aber er hatte keine andere Wahl, als in den Laster zu steigen. Mein Angriff kam für ihn völlig überraschend, und so saß ich am längeren Hebel.
„He, das ist ein sehr teures Hemd!“, brüllte er und versuchte, den Stoff aus meinen Händen zu befreien.
„Dann wird es jetzt eben ein bisschen staubig!“ Ich packte einen Pflock und drückte ihn gegen seine Brust, in der Hoffnung, dass ich dabei die kostbare Seide aufschlitzte. „Warum haben Sie mich ins Messer laufen lassen?“
„Ins Messer laufen?“, stammelte er, wobei er die weit aufgerissenen Augen nicht von dem Pflock nahm.
„March hat mir erzählt, dass Sie bei ihr angerufen haben. Und dass Sie ihr gesagt haben, ich sei eine wichtige Person!“ Ich drückte den Pflock tiefer in seine Brust.
Es war schon peinlich, wie laut er aufschrie. „Ich wollte Ihnen doch damit nicht schaden, das schwöre ich! Ich dachte, sie kann Ihnen vielleicht weiterhelfen!“
„Mir weiterhelfen?“ Ich nahm den Druck etwas zurück. Ich wusste genau, dass er ohne neue Informationen nicht hier aufgekreuzt wäre, und deshalb war es wenig hilfreich, wenn ich ihn aus Versehen umbrachte. „Was soll das denn heißen?“
„Ich dachte, wenn Sie nach diesem Typen suchen, kannsie Ihnen dabei helfen. March hat ziemlich gute Beziehungen.“ Er schob den Pflock weg, ich ließ ihn gewähren und beobachtete amüsiert, wie er mit schmerzverzerrter Miene seine Brust rieb.
„Sie hat Superbeziehungen, daran gibt es keinen Zweifel. Sogar den Souleater scheint sie zu kennen.“ Ich schob den Pflock in meine hintere Jeanstasche. Byron keuchte vor Schreck, und ich hob die Augenbraue. „Ach, Sie haben schon von ihm gehört?“
Etwas verstört strich er sich immer noch über seine nicht vorhandene Wunde und nickte. „Natürlich habe ich von ihm gehört. Sogar zu meiner Zeit kursierten schon Gerüchte über ihn. Damals waren Vampire sehr populär. Haben Sie Das Bildnis des Dorian Gray gelesen?“
„Darin geht es nicht um Vampire“, meinte ich.
Mit einem wissenden Lächeln sagte er: „Ach, es geht nicht um Vampire?“
Ich seufzte. „Hören Sie, ich hab keine Zeit, um über Literatur zu diskutieren. Ihre Freunde da unten werden wahrscheinlich heute Nacht Cyrus abholen, und ich muss vor ihnen bei ihm sein.“
„Genau deshalb bin ich ja hier.“ Byron griff in die Tasche seiner knallengen Jeans und holte etwas hervor, das aussah wie eine Murmel, die im Dunkeln leuchtete.
„Was ist das?“ Ich wollte noch einen hässlichen Kommentar dazu abgeben, dass das Ding wohl kaum erklärte, warum er March von meinen Plänen erzählt hatte. Doch er hatte ja nicht wissen können, dass wir Feindinnen werden würden.
„Es ist Ihr Schlüssel. Die Fangs benutzen einen Tarnzauber, um zu verheimlichen, wo sie Ihren Mann versteckt halten. Mit diesem Ding hier können Sie sehen, was niemand sonst sehen kann.“ Er lächelte. „Und Sie sehen, was meineungehobelten Begleiter nun nicht mehr sehen können, weil ich das hier habe mitgehen lassen. Aber Ihnen bleibt nicht mehr viel Zeit. Ich war vor einer halben Stunde dort, und da haben sie schon in weniger als einer Stunde mit
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