Besessen
Max, als eine neue, unerbittliche Entschlossenheit von ihm Besitz nahm, „ist der erste kluge Satz von dir, seit wir uns getroffen haben.“
Kurz vor Sonnenaufgang kam ich in Louden an und parkte den Laster auf dem Parkplatz von ein paar zur Hälfte aufgegebenen, neben der Straße liegenden Geschäften, darunter ein Waschsalon und ein verwahrlost wirkender Ein-Dollar-Laden. Ich schloss die Türen ab, überprüfte noch einmal, ob die Plane zum vorderen Teil auch gut befestigt war, und kroch nach hinten, wo ich auf einem Stapel alter Ausgaben des „Hudson Herald“ und der „Louden Times“ landete. Der Butler hatte Marchs Anweisungen exakt ausgeführt und die Ausgaben von mehr als einer Woche auf den Laster geladen. Ich war versucht, erst mit dem Datum zu beginnen, als Nathan nachts überwältigt worden war, und mich von da an vorzuarbeiten, aber das Medizinstudium hatte mich eines Besseren belehrt. Bei Abkürzungen kam immer noch ein dickes Ende nach.
Ich hatte mich durch einige ziemlich unauffällige, örtliche Ereignisse gekämpft – die Eröffnung eines neuen Walmarts, ein achtundsechzigjähriger Rancher, der in seinem Keller Marihuanaangebaut hatte – und schob den Stapel mit den schon gelesenen Zeitungen weg von denen, die ich noch durchgehen musste. Und da, oben auf dem Stapel, in Buchstaben, so groß wie meine Hand, stand das Wort „Feuer!“
Ich überflog die Seite, suchte hektisch nach dem Datum. Drei Tage, bevor ich Nathan verloren hatte.
St. Anne’s Catholic Church am frühen Samstagmorgen niedergebrannt. Drei Kirchenmitarbeiter vermisst.
Ungerufen blitzte das Bild aus meinem Traum vor meinem geistigen Auge auf. Zwei Tote, voller Blut. Ich hatte gedacht, es wäre eine Vorahnung, doch in Wirklichkeit war mein gestresstes Gehirn eifrig dabei gewesen, mich mit furchtbaren Bildern von Ereignissen zu überschwemmen, die gerade stattfanden. In dem Artikel wurden die vermissten Personen erwähnt – ein Priester, eine Nonne und die Gemeindesekretärin, die angeblich alle drei in die Wüste gewandert waren. Es folgte eine unheilvolle Warnung vor der für die Jahreszeit extremen Hitze, die die Chance, dass die drei überlebt haben könnte, gegen Null sinken ließ. Und die vermissten Personen hatten offenbar keinen Alarm geschlagen, als das Feuer ausgebrochen war.
Verwirrt setzte ich mich im Schneidersitz auf die Ladefläche und wusste nicht recht, was ich von der Zeitungsmeldung halten sollte. Für ein verschlafenes Örtchen wie Louden war ein Großbrand natürlich eine wichtige Meldung. Dass drei Leute in der Wüste herumwanderten, obwohl sie eigentlich im Kühlraum der Leichenkammer des Landkreises ruhen sollten, machte die Meldung für mich allerdings interessant. Wenn die Fangs in der Stadt waren, wie hoch standen dann die Chancen, dass die Opfer die Feuerwehr nicht alarmiert hatten, weil sie schon tot waren? Eine Kirche zu zerstören, passte exakt zum Stil der Fangs.
Auf der Suche nach anderen ungewöhnlichen Meldungen las ich weiter, bis ich mich nicht mehr wach halten konnte. Den Kopf auf den Ergebnissen der örtlichen Mädchen-Volleyballmannschaft gebettet, schlief ich ein. Ich weiß nicht, wie lange ich weg gewesen war, als ich von meinem klingelnden Handy geweckt wurde.
„Zu was für einem verdammten Bordell hast du mich da eigentlich geschickt?“, zischte ich, kaum hatte ich die Sprechtaste gedrückt. „Eine männliche Prostituierte wollte mir gestern schon mein Blut stehlen!“
„Ähm … Hier ist Max.“
„Oh.“ Ich hatte einen Anruf von Byron erwartet, der sich an meinen Erlebnissen ergötzen oder mir noch mehr wertvolle Ratschläge für die Reise geben wollte. „Wie sieht es bei dir in Michigan aus?“
„Offenbar nicht halb so interessant wie bei dir in … Hast du da eben gesagt, du warst in einem Bordell?“ In Max’ Stimme war nichts von seinem typischen Humor zu hören. Ganz im Gegenteil, er klang wirklich sauer.
„Nun, rein technisch …“
Sein lauter Fluch verwandelte das Rauschen in der Leitung in ein hohes Fiepen. „Also, das ist super. Ich stecke in einem Paralleluniversum fest, in dem alle außer mir dauernd Sex haben, und ich darf mit einem Dauersteifen durch die Gegend rennen. Ich bin in der Hölle.“
„Bitte keine weiteren Einzelheiten.“ Ich wischte mir Speichel von der Wange und hoffte, dass die Druckerschwärze nicht auf meine Haut abgefärbt hatte.
Für einen Moment war am anderen Ende der Leitung Schweigen. Als Max etwas sagte, klang seine Stimme
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