Besitze mich! (Band 2)
könnte fast sagen, dass meine Karriere allmählich ins Rollen kam. Ich hatte zehn Tage Zeit, um eine Serie von Portraits von Frauen in den 40ern fertigzustellen. Ziel dieser Arbeit war es, diesen Moment der unvermeidlichen Krise im Leben von Frauen aufzuzeigen, die sich entscheiden, Kinder zu bekommen, sich scheiden zu lassen, sesshaft zu werden, gegebenenfalls eine Lebensphase zu beenden, die ein anderes Leben nach sich ziehen würde. Mit 40 stand man zwischen zwei Leben. Dies war die Leitlinie meiner Verlegerin Esther, die einen Dokumentarfilm über zehn Frauen aus der ganzen Welt vorbereitete. Dieser Film würde in Form von Portraits erscheinen, die möglicherweise in aneinander gereihten Bildern wiedergegeben werden. Ich würde all diese Frauen treffen. Ich war von dieser Idee begeistert. Ich bekam die Möglichkeit, eine Welt zu entdecken, die ich nicht kannte, da meine Arbeiten sich bisher auf das Schreiben beschränkten. Das Projekt wurde gut bezahlt, jedenfalls gut genug, um meine Bedenken in Bezug auf das Projekt zu zerstreuen. Mir eröffnete sich eine neue Welt. Meine Arbeiten wären zunächst im Fernsehen in Form von Dokumentarfilmen und später in einem internationalen Dokumentarfilm im Internet zu sehen. Und mir gefiel diese Idee:
40 Jahre oder das Leben danach
. Ja, das Leben danach. Ich war noch keine 40, und ich fragte mich, ob ich imstande war, meinem Leben eine Richtung zu geben. Konnte ich ein ausreichend erfülltes Leben führen, um nicht eines Tages mit dem Gedanken aufzuwachen, sich beeilen zu müssen, um in diesem Alter endlich mit dem Leben anzufangen?
Ich ließ die Bilder der zehn Frauen nacheinander auf meinem iPad ablaufen, wodurch die Neugierde von Adrien geweckt wurde. Ich merkte, dass er mich beobachtete, dass er mich ansah, während ich dabei war, eine Erzählstruktur aufzuschreiben und jedem dieser Bilder eine Form zu geben. Ich versuchte, diese von Rückschlägen gezeichneten Lebenswege in eine neue Richtung zu lenken. Er unterbrach seine Lektüre, um mehr zu erfahren. Ich hatte ihm noch nie von meiner Arbeit erzählt, da mir mein Leben im Gegensatz zu seinem fade erschien. Ich fasste mich kurz, erwähnte höchstens dieses Projekt und gab ihm einen allgemeinen Überblick über das Leben dieser Frauen. Zumal hörte ich ihm lieber zu... Ich war erstaunt darüber, dass er echtes Interesse zeigte.
– Alice, Sie sind Teil einer neuen Welt. Sie beherrschen Inhalte, die mir fremd sind. Mit diesen Geschichten über Frauen werden Sie den härtesten Kritiker für sich gewinnen, vor allem wenn Sie meine Ratschläge befolgen. Sie arbeiten an neuen Formen, aber was immer und in erster Linie zählt, ist der Stil. Ein Blick, Ihr Blick, ein autentischer Blick. Daraus wachsen die literarischen Emotionen, die es wert sind, aufgeschrieben und geteilt zu werden.
Adrien legte die Sachen auf ihren Platz zurück, oder vielmehr an den Platz, den er für richtig erachtete. Dieser Anflug von Interesse für meine Arbeit neben meiner Rolle als seiner Geliebten hatte sich schnell verflüchtigt. Als ob er mir sagen wollte, dass er wieder die Oberhand gewinnen wolle. Er nahm mir mein iPad aus der Hand, um mich zu küssen und seine Finger zwischen meine Beine gleiten zu lassen. Ich hatte sofort Lust auf ihn, selbst wenn seine Fragen sein Interesse für mich in eine andere Richtung lenkten. Sein Blick wandelte sich, Adrien schien weniger zynisch, vielleicht auch ein wenig sanfter. Er legte den Pullover, der er um die Schultern trug, auf meine Knie, um mit seinen Fingern auf Entdeckungsreise zu gehen, als die Flugbegleiterin uns ein Getränk anbot. Sie erkannte Adrien sofort, als er seine Bestellung aufgab, während seine Finger im selben Augenblick in mich eindrangen. Er kritzelte einige Worte auf einen Zettel, den er mir hinhielt, während die Flugbegleiterin ihm gestand, dass sie
Belleville im April
fertig gelesen hatte und dass sie sich nicht davon lösen könne. Das Buch begleite sie in ihren schlaflosen Nächten, in denen sie aufgrund der Zeitverschiebungen oft wach lag. Adrien war es gewohnt, zuzuhören, oder vielmehr wahrzunehmen, wie seine Leser, und insbesondere seine Leserinnen von ihrem Leben erzählten. Er konnte problemlos ein Interesse vortäuschen. Jetzt las ich seine Worte.
Kommen Sie, Alice.
Nachdem die Flugbegleiterin gegangen war, fuhr er fort, mich zu streicheln, heftiger als zuvor, während seine Finger immer noch vom Pullover bedeckt waren. Mit seiner anderen Hand tat er so, als würde
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