Besser schreiben für Dummies (German Edition)
Genau da kann man mit den Texttypen ansetzen. Der Texttyp ergibt sich aus der jeweils dominierenden Funktion.
Das Organon-Modell
Das Wort »Organon« kommt aus dem Griechischen und heißt »Werkzeug«. Als solches hatte Platon die Sprache bezeichnet: »Sie ist ein Werkzeug, damit der eine dem anderen etwas mitteilen kann über die Dinge.« Auf dieser Beschreibung baute der Psychologe Karl Bühler (1879-1963) im Jahre 1934 ein Sprachmodell auf, das Organon-Modell.
An jedem sprachlichen Zeichen — und mithin an jedem Text — sind drei Seiten beteiligt: »der eine« oder der Sender, »der andere« oder der Empfänger, »die Dinge« oder die Gegenstände und Sachverhalte. Auf jeder Seite erfüllt das Zeichen eine andere Funktion:
Im Hinblick auf den Sender ist das sprachliche Zeichen ein Symptom : Es drückt die Absicht des Senders aus . Die Funktion ist die des Ausdrucks .
Im Hinblick auf den Empfänger ist das sprachliche Zeichen ein Signal : Es appelliert an den Empfänger, sich in der einen oder anderen Weise zu verhalten. Die Funktion ist die des Appells .
Im Hinblick auf den Redegegenstand ist das sprachliche Zeichen ein Symbol : Es stellt die Gegenstände und Sachverhalte der Wirklichkeit dar . Die Funktion ist die der Darstellung .
Das Organon-Modell stellt Sender, Empfänger und Redegegenstand in ein Dreiecksverhältnis und weist jeder Seite ihre eigene Funktion zu: der Seite des Senders den Ausdruck, der Seite des Empfängers den Appell und der Seite des Redegegenstandes die Darstellung.
Nach diesem Modell hat jeder Text dreierlei zu leisten: eine Absicht auszudrücken, einen Leser anzusprechen und einen Gegenstand darzustellen. Nur ist mal das eine und mal das andere wichtiger, und das jeweils größte Gewicht bestimmt den Texttyp.
Es gibt keine Texte mit nur zwei Funktionen oder mit nur einer. Immer sind alle drei Funktionen gegeben.
Die Ableitung der Texttypen
Texte, in denen der Ausdruck — also die Seite des Autors — besonders stark betont ist, gehören zum expressiven Texttyp . Ein expressiver Text lässt die persönliche Note des Autors erkennen. Er muss vor allem authentisch sein. Beispiele sind Ansichtskarten aus dem Urlaub oder auch Kondolenzschreiben.
Texte, in denen der Appell — die Seite des Lesers — dominiert, gehören zum operativen Texttyp . Hier werden alle Mittel daran gesetzt, den Leser zu beeinflussen. Das muss gelingen. Der operative Text wird danach bewertet, ob er erfolgreich ist. Beispiele sind Bewerbungen oder Werbetexte.
Texte, in denen die Darstellung — die Seite des Redegegenstandes — den Vorrang hat, gehören zum informativen Texttyp . Ein informativer Text ist sachlich und neutral. Von ihm wird verlangt, dass er richtig ist. Beispiele sind technische Berichte oder Protokolle.
Die folgende Tabelle stellt die Zusammenhänge im Überblick dar:
Tabelle 4.1 : Texttypen
Die Definitionen sind so klar, dass man denken könnte, jeder Text habe ein Schild umhängen: »Ich bin so und so.« Hat er nicht. Schließlich sind alle drei Funktionen da. Manchmal sind sie fast gleich stark ausgeprägt, und manchmal rangeln zwei um den ersten Platz. Das ist zum Beispiel bei der Abmahnung der Fall: Sie ist informativ, insofern sie das Fehlverhalten und die Missbilligung des Fehlverhaltens darstellt. Sie ist operativ, insofern sie eine deutliche Warnung enthält. Solche Zweischneidigkeit mindert aber nicht die Brauchbarkeit der Texttypen. Im Gegenteil: Je mehr Sie sich aller drei Funktionen bewusst sind und je sorgfältiger Sie sie austarieren, desto reichhaltiger werden Ihre Texte.
Wenn Sie der Frage der Texttypen weiter nachgehen, werden Sie auch andere Einteilungen finden, die mehr als drei Typen unterscheiden. Diese Typologien stehen nicht im Widerspruch zu dem hier vorgestellten Modell, sondern sind eine weitere Differenzierung. Das Modell der drei Typen ist das einfachste. Arbeiten Sie mit dem Modell, das Ihnen am meisten hilft.
Der Nutzen der Texttypen
Die Texttypen bieten einen Rahmen, in den man einen Text einstellen kann. Sobald der Text dort einrastet, sieht man viel klarer, was man zu tun und zu lassen hat. Der Texttyp ist eine verlässliche Orientierungshilfe.
Ohne den Texttyp im Hinterkopf ist es sehr viel schwieriger, angemessen zu schreiben; die Texte rutschen einem leicht mal weg. Dann laufen sie entweder als Ganzes am Zweck vorbei, oder sie enthalten störende Elemente. Lesen Sie die folgenden Beispiele, dann wissen Sie, was gemeint ist.
1. Ein
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