Besser schreiben für Dummies (German Edition)
Endergebnis.
Der Gegenleser leistet einen wichtigen Beitrag, dennoch liegt die Verantwortung für den Text beim Autor. Das gilt auch für Passagen, die er aufgrund von Anregungen des Gegenlesers geändert hat. Sollte eine solche Passage sich am Ende als fehlerhaft erweisen, so hat der Autor sich den Fehler selbst zuzuschreiben. Schließlich hat er entschieden, dass die Passage im Text stehen soll. Dem Gegenleser kann man keine Vorwürfe machen.
Mord und Totschlag
Gegenlesen kann böses Blut geben, wenn man es dumm angeht. Zum Beispiel so: »Ich hab da was geschrieben. Kannste da mal drüberschauen?«, fragt der Autor. »Mach ich«, sagt der nette Kollege, der immer so gefällig ist. Eine halbe Stunde später hat er eine Mail vom Autor: »Text ist beigefügt. Danke für die Hilfe. Ist übrigens nicht so eilig, hat Zeit bis heute Abend.« Der Text, das sind fünfzig Seiten haarsträubendes Durcheinander. Dem netten Kollegen schießt vor Ärger das Blut in den Kopf. Er blättert den Text am Bildschirm durch und mit jeder schlecht geschriebenen Seite regt er sich mehr auf. Was bildet dieser Autor sich eigentlich ein? Dann auf einmal weiß der Kollege, was er zu tun hat. Er schreibt zurück: »Habe drübergeschaut.« Autor und Kollege sind sich seitdem spinnefeind.
Schon um des lieben Friedens willen sollte man die Sache geschickter angehen: dem anderen nicht mehr zumuten als nötig und das, was er macht, gebührend würdigen. Dazu gehört auch, dass man das Kind beim Namen nennt: Gegenlesen ist nicht drüberschauen. Über einen Text drüberschauen kann jeder, und es dauert keine zwei Minuten. Gegenlesen kann nicht jeder, und es ist ein hartes Stück Arbeit.
Wer es kann
Gegenlesen kann jemand, der die folgenden Kriterien erfüllt:
1. Der Gegenleser ist eine Vertrauensperson.
Als Autor muss man sicher sein können, dass der Gegenleser den Text nicht klaut, dass er ihn nicht an Dritte weitergibt und dass er einen nicht wegen Schwächen bloßstellt. Der Reihe nach: Der Text enthält die Ideen des Autors, nur sind sie noch nicht als solche verbrieft und besiegelt. Also kann der Gegenleser sie noch als die seinen ausgeben. Genauso leicht kann er den Text anderen zugänglich machen. Stellen Sie sich das am Beispiel einer Bewerbung vor: Nach langer Recherche haben Sie eine Stelle gefunden, die Ihnen zusagt und die Sie wirklich gerne hätten. Sie führen etliche Telefonate, studieren Broschüren, klappern Verbände ab und entwerfen aus all diesen Informationen einen Text, der sich sehen lassen kann. Diesen Text samt Hintergrundinformation gibt Ihr Gegenleser an einen Freund weiter, der ebenfalls auf Stellensuche ist. Und dann? ... Als Drittes noch das Bloßstellen: Der Gegenleser kann Schwachstellen, die er entdeckt, bei passender Gelegenheit gegen den Autor ausspielen. Ist alles schon vorgekommen. Deshalb achten Sie bitte darauf, dass Sie der Person des Gegenlesers uneingeschränkt vertrauen können.
Ideenklau ist Diebstahl! Es kann sich auch niemand damit herausreden, es handele sich nur um Ideen und Ideen kosteten kein Geld. Das sind alles faule Ausreden. Sehen Sie es so: Ehre, wem Ehre gebührt. Und wer eine gute Idee hat, soll sie auch als die seine verkaufen können.
2. Der Gegenleser ist gewillt, Ihnen Gutes zu tun.
Gönnen muss man können. Denken Sie einmal unter diesem Gesichtspunkt über den Gegenleser nach. Er investiert Zeit und Mühe, um dem Autor zu einer besseren Leistung zu verhelfen. Einen unmittelbaren Nutzen davon hat er nicht; er muss uneigennützig handeln. Die Frage ist: Wer tut das? Stellen Sie sich als Beispiel ein Arbeitszeugnis vor, das Sie für eine Gehaltserhöhung brauchen und selbst entwerfen sollen. Sie bitten eine Kollegin um Schützenhilfe. Nur ist gerade diese Kollegin eine Person, die sich chronisch benachteiligt vorkommt. Hat sie überhaupt Interesse daran, zu der Gehaltserhöhung eines anderen beizutragen? Das ist zweifelhaft. Sie wird zwar bereit sein gegenzulesen, doch das Ergebnis ist mit einer guten Prise Salz zu genießen.
3. Der Gegenleser ist wach und helle.
Beim Gegenlesen muss man Zusammenhänge durchdringen: logisch und messerscharf. Dazu braucht man einen gesunden Menschenverstand. Wer den nicht hat, ist ungeeignet. Genauso ungeeignet ist jemand, der es nicht gewöhnt ist, akribisch zu arbeiten. Solche Menschen gibt es ja: Bei denen muss alles schnell gehen, die machen immer drei Dinge auf einmal; die lesen nicht, die überfliegen nur. Das mag in anderen
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