Besser verhandeln - Das Trainingsbuch
bis zum Glücksrad. Mike war allein und betrachtete die Menge mit ärgerlicher Miene. Sein Gesicht erhellte sich, als er meiner ansichtig wurde. »Zu müde, Danny, um mir heut abend auszuhelfen?« rief er mir entgegen, ehe ich ihn noch erreicht hatte. »Pete ist wieder mal nicht aufgekreuzt.« Ich zögerte. Ich war zwar hundemüde, andrerseits war es so heiß, daß ich unten im Bungalow doch keinen Schlaf finden würde. Ben war schlau gewesen. Sowie er gesehen hatte, daß das Geschäft lief, war er ganz in das oberste Stockwerk des Half Moon Hotels übergesiedelt, wo es angenehm kühl war. Jetzt hatte ich den Bungalow für mich allein.
»Okay, Mike«, sagte ich und kroch unter dem Ladentisch auf die andre Seite. »Was soll's heute sein? Beim Rad oder als Ausrufer?« Er trocknete sich das Gesicht mit einem bereits feuchten Taschentuch. »Als Ausrufer, wenn's dir recht ist«, antwortete er, »ich hab die Leute da den ganzen Tag herbeigelockt, und jetzt kann ich nicht mehr.«
Ich nickte und band mir eine Wechselgeld-Tasche um. Dann zog ich einen langen hölzernen Zeigestab unter dem Ladentisch hervor und wandte mich an die Menge. Mike nickte, und ich begann mit der Redeschlacht. Zunächst zwang ich meine Stimme zu einem durchdringenden trompetenartigen Geschrei, um die Gespräche der Leute zu übertönen. Mir machte die Rolle des Anreißers immer ungeheures Vergnügen. Ich kannte meine Rede bereits auswendig, ich hatte sie ja tausendmal von andern gehört, aber jedesmal war sie mir wieder neu. Es machte mir Spaß, die Leute dazu zu verleiten, ihre Fünfcentstücke sinnlos auszugeben. In mancher Beziehung war das ganze Leben so.
Man legt sein Geld für etwas hin, von dem man verdammt genau weiß, daß sich's nie bezahlt machen wird. »Hereinspaziert, meine Herrrrschafften! Hierr ist das einmalige Glücksrad! Versuchen Sie Ihr Glück! Es kostet nur fünf Cent, und jedesmal, wenn sich das Rad dreht, gewinnen Sie! Sie können nicht verlieren, Sie können nur gewinnen! Kommen Sie herrein, meine Herrrschaften, hier ist die Kasse! Versuchen Sie Ihr Glück bei der Göttin Fortuna!«
Ich bemerkte einen jungen Mann, der, sein Mädel am Arm, herangeschlendert kam. Vor dem Glücksrad zögerte er einen Augenblick. Ich wies mit dem Zeigestab auf ihn. »He da, junger Mann!« schrie ich so laut, daß man es zwei Häuserblocks weit hören mußte. »Ja, Sie meine ich, mit dem hübschen Mädel! Sie können Ihr Glück einmal ganz umsonst versuchen! Der Boß hat mir eben geflüstert, wenn ein Bursch mit einem hübschen Mädel kommt, darf er für sein Mädel gratis setzen. Legen Sie Ihre fünf Cent hierher, und setzen Sie dafür auf zwei Nummern. Sie setzen auf zwei Nummern zum Preis von einer!«
Der junge Mann sah das Mädchen an, grinste verlegen, trat an den Tisch und legte seine fünf Cent auf eine der roten Nummern. Ich nahm die fünf Cent rasch weg und warf ihm dafür zwei Chips hin. »Das ist ein kluger junger Mann«, verkündete ich den Leuten, die sich rasch um das Glücksrad sammelten, »er hat seinen Vorteil wahrgenommen! Aber er kennt sich auch bei den hübschen Mädels aus! Sie alle können aber ebenso klug sein wie er! Bringt eure Puppen hierher, bringt sie zum Glücksrad, und ihr könnt statt auf eine gleich auf zwei Nummern setzen! Wer versäumt da eine doppelte Chance?!«
Einige Fünfcentstücke fielen klirrend auf den Tisch. Jetzt hat sie's gepackt! Ich sah über die Schulter zu Mike hin. Er nickte beifällig mit seinem dunklen Kopf, griff hinter sich und setzte das Rad in Bewegung, gleichzeitig sah ich aber auch, wie er unter dem Tisch mit dem Fuß nach dem Bügel tastete. Ich wußte natürlich, wer gewinnen würde.
»Da läuft es, meine Herrrrschafften!« rief ich. »Rundherum dreht sich das Glück, und niemand weiß, wo's stehenbleibt. Jeder gewinnt, wenn sich das Glücksrad dreht!« Ich hielt den langen Zeigestab bereit, um dem Mädchen des jungen Mannes auf die Schulter zu klopfen, wenn das Rad zum Stillstand kommen würde.
Gegen Mitternacht kam eine Brise auf, und die Menge verlief sich, um den Heimweg anzutreten. Mike kam zu mir an den Tisch. »Machen wir Schluß, mein Junge«, sagte er. »Heut ist ja doch nichts mehr rauszuholen.«
Ich nahm die Tasche mit dem Wechselgeld ab und übergab sie Mike. Er leerte sie in einen Beutel, ohne das Geld zu zählen. Dann drehte er an einem Lichtschalter, und alle Lichter über dem Glücksrad erloschen. Mikes Gesicht sah in der matten Beleuchtung der Promenade müde und
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