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Besser verhandeln - Das Trainingsbuch

Titel: Besser verhandeln - Das Trainingsbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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wollten uns sogar zum Abendessen dabehalten. Wir entschuldigten uns damit, daß wir sagten, wir müssen noch zu meinen Eltern, da wir sie bisher noch nicht besucht hatten. Der Lift blieb stehen, und die Türen öffneten sich. Der Liftboy steckte den Kopf aus der Tür und sagte: »Quer durch die Halle, vierte Türe.«
    Auf dem kleinen Namensschild unter der Glocke stand >SAM GORDON<. Ich drückte auf den Knopf, worauf im Innern des Appartements ein Glockenspiel ertönte. »Wirklich phantastisch«, murmelte ich und sah Nellie an.
    Sie schien in dem gedämpften Licht des Korridors sehr blaß. Sie nickte stumm, während wir warteten. Ich ergriff ihre Hand. Die Handflächen waren feucht.
    Die Türe öffnete sich, und eine kleine Negerin in Stubenmädchenkleidung sah heraus.
    »Mrs. Gottk. ist Mrs. Gordon zu Hause?« fragte ich. Die Negerin sah mich unbewegt an. »Wen darf ich melden, Sir?« fragte sie leise mit wohlklingender Stimme. »Ihren Bruder«, sagte ich.
    Das Mädchen machte große Augen und trat zur Seite. »Wollen Sie einen Augenblick hier warten?« sagte sie.
    Wir befanden uns in einer Halle. Während das Mädchen im Innern der Wohnung verschwand, sahen wir uns ein wenig um.
    Die Diele war so groß wie Nellies ganze Wohnung. Aus einem angrenzenden Zimmer vernahmen wir leises Stimmengemurmel. Plötzlich trat Stille ein und wir hörten die Stimme des Mädchens. »Mrs. Gordon, ein junger Mann und eine junge Dame sind da, um Sie zu besuchen.« - »Haben sie gesagt, wer sie sind?« Es klang erstaunt, ich erkannte Mimis Stimme.
    Das Mädchen antwortete: »Ja, Ma'm. Er sagt, er is Ihr Bruder, un. «
    Sie kam nicht dazu, den Satz zu beenden. »Danny!« hörte ich Mimi aufschreien, »es ist Danny!« Dann stand sie in der Halle und sah uns an.
    Wir blieben einen Moment vollkommen unbeweglich stehen. Auf den ersten Blick schien es mir, als habe sie sich überhaupt nicht verändert, als sie aber näherkam, sah ich, daß sie doch verändert war.
    Ihre Augen waren dunkler, und darunter waren feine blaue Ringe zu erkennen, als ob sie nicht gut schliefe, vielleicht aber nur, weil sie wieder ein Kind erwartete und schon sehr schwerfällig war. In ihren Mundwinkeln befanden sich kleine Fältchen, die ich vorher nie bemerkt hatte.
    Sie zog mein Gesicht zu sich herab und küßte mich. »Danny«, flüsterte sie, »ich bin ja so glücklich, dich wiederzusehen.« Tränen standen in ihren Augen.
    Ich lächelte. Komisch, ich hatte gar nicht gewußt, wie sehr sie mir gefehlt hat. Als ich noch zu Hause war, hatten wir ständig Krach miteinander, aber das war jetzt vergessen. Sie ergriff aufgeregt meine Hand und zog mich in das angrenzende Zimmer. »Mama und Papa sind hier«, sagte sie.
    Über die Schulter warf ich Nellie einen verzweifelten Blick zu. Sie lächelte flüchtig und nickte; dann folgte sie uns. Mimi führte mich in das Wohnzimmer.
    Wir standen auf den Stufen, die in das Zimmer hinunterführten. Mama und Papa saßen, mit dem Rücken zu uns, auf einer Couch, hatten sich aber halb umgedreht und sahen uns entgegen. Mama hielt eine Hand an die Brust gedrückt und hatte die Augen beinahe ganz geschlossen. Papa saß dumpf, mit dem Ausdruck sichtlich beherrschter Überraschung neben ihr, der durch eine lange Zigarre, die regungslos von seinen Lippen hing, noch unterstrichen wurde. Sam stand vor ihnen, hielt ein riesiges Cocktailglas in der Hand und lehnte sich an einen mächtigen Kamin mit imitiertem Holzfeuer. Seine Augen glänzten neugierig.
    Mimi führte mich um die Couch herum, bis ich vor meiner Mama stand. Dann ließ sie meine Hand los. Mama sah mir in die Augen, als wollte sie alles aus ihnen herauslesen, was geschehen war, seit wir einander zum letztenmal gesehen hatten. »Hallo, Mama«, sagte ich sehr ruhig.
    Sie berührte meinen Rock und glitt mit der Hand meinen Ärmel entlang, bis sie meine Hand fand. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie zog mich zu sich hinab und preßte ihre Lippen auf meine Hände. »Mein Blondie«, flüsterte sie mit bebender Stimme, »mein Baby.«
    Ich stand reglos und sah auf ihren gebeugten Kopf hinab. Ihr Haar war ganz weiß geworden. Das war der Augenblick, den ich am meisten gefürchtet hatte. Ich hatte mich nicht davor geängstigt, wie sie mich aufnehmen würden, sondern ich hatte Angst, was ich für sie empfinden würde. Merkwürdig, wie ruhig, wie gleichgültig ich war. Es war beinahe so, als sähe ich mir einen Film an. Irgendwie gehörte ich nicht mehr dazu. Es war ein ganz andrer

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