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Besser verhandeln - Das Trainingsbuch

Titel: Besser verhandeln - Das Trainingsbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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fünf Monate war noch in uns lebendig. Die Tage, an denen ich von der Schule heimkam und ihn in der Küche der schäbigen Wohnung sitzen sah, wie er mit dem Ausdruck der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung die Wand anstarrte. Ich hatte mich bemüht, Mitleid für ihn zu empfinden, es war mir aber nicht gelungen. Er hatte sich's ja selbst zuzuschreiben. Wäre er nur ein bißchen tüchtiger gewesen!
    Seine Miene hatte sich auch nicht geändert, als er vor wenigen
    Tagen nach Hause gekommen war und uns von der Anstellung erzählte, die er gerade ergattert hatte. Das traf mich bis ins Innerste. Dreiundzwanzig Dollar in der Woche für einen Apotheker mit fünfundzwanzigjähriger Praxis! Das durfte nicht sein!! Es war kaum genug fürs Essen.
    Wir bogen um die Ecke der Delancey Street und befanden uns vor dem Geschäft, in dem Papa arbeitete. Er blieb stehen und sah mich zögernd an. Ich wußte genau, daß er mich fragen wollte, was ich mit dem Rest des Nachmittags anfangen würde, aber zu stolz dazu war. Ich traf keine Anstalten, es ihm zu sagen.
    »Richte der Mama aus, daß ich um halb drei zu Hause sein werde«, sagte er schließlich. - Ich nickte.
    Er öffnete den Mund, als wollte er noch etwas sagen, dann schloß er ihn wieder, als hätte er sich's doch überlegt. Statt dessen schüttelte er leicht den Kopf und betrat, die Schultern zurücknehmend, den Laden.
    Die Schaufensteruhr zeigte    genau drei Uhr,    als er eintrat.    Ich
    hatte noch etwas Zeit.    Ich lehnte    mich    an    die
    Schaufensterscheibe und betrachtete müßig die Vorbeigehenden. Da hörte ich im Geschäft jemanden sprechen, ich drehte mich um und sah hinein. Ein Mann trat hinter dem Apothekertisch hervor und zog seinen Mantel aus. »Jesus, Fisher«, sagte er in dem Flüsterton, der zwar zwanzig Meter weit nach vorn, aber keinen Zentimeter nach hinten trägt, »bin ich froh, hier 'rauszukommen! Der Boß ist wieder in einer höllischen Laune! Hat mich den ginzen Tag schikaniert.« Papa nahm ihm stumm den Mantel aus der Hand und sah auf die Wanduhr, um die Zeit zu kontrollieren. Ein Ausdruck der Erleichterung trat auf sein Gesicht.
    Aus dem Hinterzimmer kam jetzt ein kleines, aufgeblasenes Männchen mit einem jähzornigen Gesicht. Es    blickte    durch    den
    Raum, wobei seine dicken    Augengläser im    Licht    funkelten.
    »Sind Sie's, Fisher?« fragte er in hohem gereiztem Ton. Er wartete die Antwort nicht ab. »Na, bißchen plötzlich«, fuhr er fort, »da sind zwei Rezepte, die schon längst auf Sie warten.«
    Papas Stimme klang so ängstlich und unterwürfig, wie ich sie nie zuvor gehört hatte. »Jawohl, Mr. Gold«, antwortete Papa und eilte ins Hinterzimmer. Hut und Mantel hatte er bereits in der Hand, als er sich mit einem entschuldigenden Blick dem Männchen wieder zuwandte. »Ich hatte nicht die Absicht, Sie warten zu lassen, Mr. Gold.«
    Das Männchen sah ihn verächtlich an. »Sie hätten ja auch früher kommen können, das hätte Ihnen gewiß nichts geschadet!«
    »Entschuldigen Sie, Mr. Gold«, sagte Papa unterwürfig. »Na, was stehen Sie denn hier rum wie ein Narr, Fischer?!« sagte Mr. Gold und schob Papa zwei Rezepte in die Hand. »Zieh'n Sie Ihren Mantel endlich an und machen Sie sich schleunigst an die Arbeit!« Damit drehte er ihm den Rücken und verschwand. Papa starrte ihm einen Augenblick mit völlig ausdruckslosem Gesicht nach. Dann betrachtete er die Rezepte in seiner Hand und begab sich langsam zum Apothekertisch. Er legte Hut und Mantel auf einen Sessel und schlüpfte rasch in seinen Arbeitsmantel. Er legte die Rezepte vor sich auf den Tisch, glättete sie mit der Hand und schaute sie sich einen Moment an. Dann nahm er eine Flasche und ein Meßglas vom Regal. Ich hörte beinahe das schwache klirrende Geräusch der Flasche, die gegen das Meßglas stieß, während er die Flüssigkeit mit zitternden Händen eingoß.
    Auf einmal sah er auf und bemerkte, daß ich ihn anstarrte. Er wurde verlegen, und die Schamröte stieg ihm ins Gesicht. Ich sah unbeteiligt und gleichgültig vor mich hin, tat so, als hätte ich ihn überhaupt nicht gesehen und wendete mich wie zufällig wieder ab.
    Die Bande wartete bereits auf mich, als ich mich ihr anschloß, und wir verließen schweigend die Ecke. Wir wollten keine Aufmerksamkeit erregen. Dann verschwendete ich aber keine Zeit mehr mit den Burschen.
    »Ihr wißt also, was ihr zu tun habt«, sagte ich leise und vorsichtig. »Wir schlendern ganz

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