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Besser

Besser

Titel: Besser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Knecht
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keine Läuse, ich will, ich kann keine Läuse haben, weil, wenn ich gestern Läuse gehabt hätte, hätte ein anderer jetzt vielleicht auch welche. Dann müsste ich dem eine atmosphärisch eher kontraproduktive Äh-und-tja-sorry- SMS schicken, was einen langhaarigen Mann, der gerade seinen Rucksack packt, um in ein Krisengebiet zu reisen, sicher unglaublich erfreuen würde. Ich habe mich nur sicherheitshalber mit dem Shampoo gewaschen und durchgekämmt, ohne den Kamm genauer anzuschauen, ich wollte es so genau gar nicht wissen. Ich habe keine. Ich habe keine. Ich. Habe. Keine. Hat sich der Punkt eben bewegt? War er vor einem Moment nicht noch woanders? Es ist das vierte oder fünfte Mal, dass Elena Läuse heimbrachte, schon wieder haben sie mich angerufen vom Kindergarten. Ich dachte, sie wäre schon wieder krank, immer noch der Kotzvirus, der im Kindergarten die Runde macht, aber juhu, das Kind kratzte sich. Und als gute Mutter hätte ich das natürlich längst bemerken müssen, Maßnahmen ergreifen, das vorschriftsmäßig melden. Natürlich meldet so etwas nie jemand, und ich bin sicher, Elena hat das von den Nowotny-Kindern, bei denen war sie vor ein paar Tagen noch zuhause, und mir ist aufgefallen, dass sich die Lilly gekratzt hat, aber die sind offiziell natürlich viel zu fein für Läuse. Das ist immer noch so, dass die ganz feinen Leute keine Läuse kriegen, auf die gehen Läuse nicht, die weichen den feinen Leuten ja bekanntlich aus. Jetzt. Jetzt sah es wieder aus, als hätte es gestrampelt. Nein. Nur ein Flankerl, bestimmt. Aus dem Wohnzimmer klingt grauenhaftes, verzerrtes Gedudel durch die offene Badezimmertür, versetzt mit hysterischen Stimmen. Der Fernseher ist zu laut. Ich sollte aus der Wanne klettern und den Fernseher leiser stellen, das ist nicht gut für das Kind. Ich taste nach dem Weinglas und lehne mich zurück, die andere Hand zwischen meinen Beinen, und denke an den gestrigen Nachmittag zurück, seine Hand auf meiner Brust, sein Kopf zwischen meinen Beinen, sein
    «Mama!» Verdammt.
    «Ja. Was?»
    «Kann ich was zu trinken?»
    «Kannst du nicht …? Ich komme. Moment. Ich komme schon.»
    Ich klettere aus der Wanne und trockne mich ab, dann schlinge ich mir das Badetuch um den Körper und tappe durch den Flur in die Wohnküche.
    «Wasser? Saft?»
    «Wasser!»
    Ich nehme eine Trinkflasche aus dem Schrank und lasse das Wasser laufen, halte die Flasche darunter, bis sie voll ist und gehe dann nach hinten zu Elena. Im Vorbeigehen nehme ich noch eine Schachtel Cookies aus dem Vorratsschrank, das wird mir eine Weile Ruhe verschaffen. Elena bemerkt mich kaum, als ich ans Sofa trete, sie ist völlig vertieft in den Schwachsinn, sie starrt wie eine Idiotin auf den Bildschirm, als wäre sie nicht ganz richtig im Kopf.
    «Da, bitte, der Lieferservice.»
    «Danke, Mama.»
    «Bitte gern. Für dich immer. Soll ich dir die Kekse aufmachen?»
    Sie antwortet nicht. Ein Cartoon-Vampir mit viel zu großem Kopf fliegt kreischend durch den Bildschirm. Ich reiße die Keksschachtel und die Folie auf und stelle die Kekse auf den Couchtisch. Der Vampir quatscht jetzt auf ein Mädchen ein, das tot aussieht, aber mit Quietschstimme zurückquatscht.
    «Bist du sicher, dass du dir das ansehen willst?»
    «Ja. Das ist lustig.»
    «Sieht gar nicht lustig aus.»
    «Mama! Ich will das hören.»
    «Das ist eh so laut. Das ist viel zu laut.»
    «Das ist nicht zu laut. Ich will das so.»
    Ich wühle trotzdem die Fernbedienung hinter ihrem Po hervor. Sie rückt genervt ein Stück zur Seite, damit sie an mir vorbei auf den Bildschirm sehen kann.
    «Mama!»
    Ich drücke auf die Lautstärkentaste und sehe zu, wie der Balken am Bildrand kürzer wird.
    «Das ist zu leise!»
    Ich lasse den Balken wieder ein wenig wachsen.
    «So okay?»
    Elena kaut an einem Keks und antwortet nicht mehr. Ich gehe zurück ins Badezimmer und finde eine SMS von Jenny: «Bist du heute Abend irgendwo? Eröffnung bei der Obauer, neue brit. Kunst, ich gehe mit Mila und Horst hin.» Mila und Horst, aha. Und was ist mit dem neuen Schatzi? Der ist doch wohl nicht schon wieder Geschichte? Ich beschließe, das später zu beantworten, hänge das Badetuch wieder an seinen Haken, setze mich in die Wanne, lasse heißes Wasser nachlaufen, schiebe meine Hand zwischen meine Beine und versuche, wieder in Stimmung zu kommen, und mein Telefon zwitschert, und es ist Astrid, und ich weiß, dass sie mir gleich ordentlich auf die Pelle rücken wird, aber ich gehe trotzdem

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