Besser
würden und worüber. Wie lange es dauern würde, bis er mir zum ersten Mal über wird, bis er mir richtig auf die Nerven geht, so sehr, dass ich ihm die Tür vor der Nase zuwerfen würde. Wie ich ihm Elena und Juri vorstellen und wie er versuchen würde, nicht ihr Vater, aber ihr Freund, Vertrauter, Komplize zu werden. Wie der Sex wäre, wenn wir ihn jeden Tag hätten. Und dann nicht mehr jeden Tag, und wie das dann wäre. Was es mit Adam und den Kindern machen würde – und immer, immer stoße ich an dieser Stelle frontal an den immer gleichen Punkt, an den Punkt, an dem ich bin und war und bleiben werde. Dass ich mich schon entschieden habe; dass es nichts mehr zu entscheiden gibt und nichts zu verbessern. Weil der Versuch, es besser zu machen, alles ruinieren würde. Alle wollen immer, dass sich was ändert, dass es besser wird. Ich nicht. Für mich ist das nicht gut. Manchmal ist es das Beste, wenn in einem Leben gar nichts geschieht, einfach nichts. Für mich ist es, glaube ich, am besten: wenn nichts passiert und nichts sich mehr ändert.
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Achtzehn
Die Kaufmanns haben sich getrennt. Ich konnte es gar nicht glauben. Sie haben erst im August geheiratet, mit einem großen Fest im riesigen Garten eines kitschig schönen Landwirtshauses, der Abend war mild und sanft beleuchtet von Lichterketten aus weißen Lampions, die zwischen den Bäumen hingen, es gab lange Tische mit weißen Tischdecken, es gab weiße Luftballons, es gab Tanz und kleine Mädchen in weißen Kleidchen, die weiße Blumen streuten. Adam war Trauzeuge, er kennt Jan schon ewig. Es war schön, schöner als meine eigene Hochzeit, leichter, lockerer, rührender. Wahrscheinlich, weil ich nur Gast war und Publikum, ganz unangespannt. Ich denke nicht sehr gern an meine Hochzeit, vielleicht, weil ich damals die ganze Zeit das Gefühl hatte, dass Adam hereingelegt wird. Von mir. Die beiden Kaufmanns waren sehr liebevoll zueinander, ich musste immer wieder hinsehen und dabei denken, dass ich auch gern so liebevoll wäre. Ich hätte nie gedacht, dass die sich trennen, die waren davor ja schon lange zusammen, hatten ja schon zwei Kinder. Ich dachte, die haben die schwierigen Zeiten schon hinter sich und sind für immer zusammengeschweißt. Das wirkte alles so richtig, stimmig. Jetzt, wo ich das höre, kommen mir ein paar Sachen in den Sinn, die mir davor nicht so aufgefallen waren. Die vielleicht nicht so gestimmt haben. Dass sie ihn immer so überhöhte, dass er ständig ungefragt berichtete, wie oft sie was für tollen Sex haben, trotz der Kinder. Adam hat es dann auch gesagt: Dass er es merkwürdig fand, wie sehr die dauernd ihre Liebe beschworen haben. Ausgestellt. Das war doch ein Zärtlichkeitsexhibitionismus, das muss man doch nicht, wenn man sich liebt, sagte Adam.
Adam ist kein großer Bekenner. Ich auch nicht, aber man hört doch hin und wieder gern, dass man geliebt wird. Gebraucht. Schön ist. Begehrenswert. Wichtig. Was immer … Ich bin, ganz im Geheimen, eine Romantikerin, möglicherweise ist das der wichtigste Grund für diese heimlichen Treffen, mein Romantikdefizit, das Romantikdefizit vermutlich aller langjährigen Beziehungen, gegen das die Kaufmanns und Millionen anderer Paare mit überdeutlicher Zärtlichkeit und der öffentlichen Beschwörung ihrer Liebe ankämpften.
Bei den Kaufmanns hat es nicht funktioniert. Es funktioniert meistens nicht, oder vielleicht nur dann, wenn man es nicht mit Alltag versaut. Obwohl die Kaufmanns Alltag galore hatten, jahrelang, und jahrelang gelang es ihnen, den Alltag mit Romantik aufzumunitionieren, bis hin zur romantischen Hochzeit mit den Rosenblätter streuenden Kindern. Aber vielleicht war das auch nur mehr ein letzter, verzweifelter Versuch, alle unterschwelligen Konflikte durch die große, heilige Handlung zu lösen, in der Hoffnung, dass dieses Opfer den Gott des Beziehungsalltags zu besänftigen imstande sei. Ist es meistens nicht, weiß man ja, aber trotzdem dachte ich, dass es bei den Kaufmanns funktionieren könnte. Hat es nicht. Ich habe Gerüchte gehört, sie hätte einen anderen, Jenny hat es angedeutet, wollte dann aber nicht ins Detail gehen oder wusste selber nicht mehr. Ich glaube es sowieso nicht, sie ist nicht der Typ dafür. Sie hat den Kaufmann angebetet, auf eine Weise, die teilweise schon etwas Unterwürfiges hatte, die einem zu viel wurde, wenn man auch nur drei Milligramm Feminismus in sich hat. Ich bin keine Feministin, aber das ging mir auch ein
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