Besser
guten Tagen, aus mir herausrutschen, sporadische Pop-up-Kunst, weit entfernt von echter Kunst. Nur Ergebnisse und Nachbeben all der Therapien, in die man mich geschickt hat; Objekte, die keiner versteht, auch nicht ich selbst, und die ich nicht herzeigen will, niemandem, nicht einmal Adam.
Wir waren zum Essen eingeladen, bei Paul und Miranda, sie haben einen kleinen Verlag, den sie gerade so über die Runden bringen. Kunstbücher, edle Postkarten, Kataloge, derlei. Adam war mit Paul auf der Schule und dann auch an der Uni gewesen. Die meisten Leute, mit denen ich befreundet bin, sind eigentlich Adams Freunde. Jenny war auch da, mit ihrem Neuen, sie hat ihn noch, sonst kannte ich die meisten nicht oder nur vom Sehen. Das Essen fand in der Werkstatt von Miranda und Paul statt, einer alten Druckerei drüben in der Leopoldstadt, mit asphaltiertem Boden und gekalkten, von Andrucken übersäten Ziegelwänden. Wir saßen an einem langen Arbeitstisch, an einer völlig zerkratzten und von Stanleymessern zerschnittenen Platte. Ein Kohleofen wärmte den großen Raum, um den Tisch herum hatten sie noch Heizstrahler aufgestellt. Klassische Musik drang aus zwei Lautsprechern, Kerzen in großen alten Leuchtern standen auf Tischen, Regalen und Ablagen. Es gab Wildschweingulasch, von Paul gekocht, in einem riesigen, splitternden, braunen Emaille-Topf, der auf dem Ofen warmgehalten wurde, und auch sonst alles wie aus dem Bobo-Handbuch: italienische Salami, kroatische Ziegenwürste, Bregenzerwälder Bergkäse, Oliven, türkisches Brot und richtig guten Rotwein. Sessel und Geschirr waren offensichtlich von Flohmärkten zusammengesammelt, aber das Besteck war wertvolles, altes, poliertes Silber, und die großen, weißen Stoffservietten waren gebügelt und gestärkt. Die meisten der Gäste machten irgendetwas mit Kunst oder waren mit jemandem liiert, der etwas mit Kunst zu tun hatte, Maler, Fotografen, Journalisten, Filmleute, ein Schriftsteller, eine Musikerin, und die meisten hatten ebenfalls Kinder, eigene und angepatchworkte. Ich saß zwischen einem fetten Bildhauer, von dem wir eine kleine Wachsfigur besitzen, die so obszön ist, dass Adam sie im Büro verstecken muss, und einer Filmemacherin mit Intellektuellenbrille, die ich nur flüchtig kannte. Während sich Adam an der anderen Seite des Tisches mit Jennys Neuem unterhielt, wurde ich in ein Gespräch über Kinder, Babysitter, Verpflichtungen, Arbeit gezogen.
«Kennstes eh. Man strengt sich an, ein bürgerliches Leben zu führen, während die Kunst in einem herumwühlt.»
«Das ist nicht die Kunst, das ist die Depression.»
«Ja, das ist oft leicht zu verwechseln. Sind vielleicht Zwillinge.»
«Eineiige.»
«Siamesische.»
«Nein, im Ernst. Manchmal komm ich vor lauter Kinderherumfahren, Kochen und Elternabenden kaum zum Arbeiten, das frustriert mich. Wie machst du das?»
«Ich arbeite, wenn die Kinder bei meiner Ex-Frau sind.»
«Das ist ein Superkonzept. Ich sollte mich vielleicht trennen, das wäre gut für mein Werk und ich müsste nicht immer nachts arbeiten.»
«Nachts arbeiten geht bei mir nicht, ich brauche meinen Schlaf.»
«Ich auch. Hilft halt nichts.»
«Bitte, du hast meine ganze Bewunderung. Ich bin abends so erschöpft, dass ich nur noch fernsehen kann. Vor allem, wenn die Kinder bei mir waren.»
«Da hab ich aber was anderes gehört.»
«Was?»
«Von der Geburtstagsparty vom Brandl.»
«Oje. Wer hat dir das erzählt?»
«Sag ich nicht. Aber an dem Abend sollst du sehr lustig gewesen sein.»
«Es waren viel Alkohol und Drogen im Spiel.»
«Ja, davon habe ich auch gehört.»
«Aber das war doch eine Ausnahme. Normal seh ich bitte abends fern und geh zeitig und nüchtern ins Bett. Im Ernst. Man ist ja nicht mehr der Jüngste, und ich komme sonst zu gar nix.»
«Hast du das Interview mit diesem Schriftsteller im ‹Standard› gelesen? Der sagte, wenn in ihm ein neues Buch wachse, sage er zu seiner Frau, pass auf, die nächsten zwei Jahre kann ich mich weder um die Kinder noch um irgendetwas anderes kümmern, weil first things first.»
«Hahaha. Großartig. Nein, hab ich nicht gelesen. Wer war das?»
«Der, der … dieser Deutsche, der schon länger hier lebt, wie heißt der nochmal, jetzt habe ich seinen Namen vergessen. Egal, ich war jedenfalls sehr neidisch. Ich sollte das mal zu Alfons sagen: Du, hör mal, Schatz, die nächsten zwei Jahre kann ich mich leider nicht um die Kinder kümmern, die gehören nur meinem Film. Alfons! Komm doch
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