Besser
schnell mal her, ich muss dir was sagen!»
Sie winkte einem blonden Mann zu, der sich beim Buffet mit Miranda unterhielt. Er lächelte und winkte zurück. Der Schriftsteller stellte sich an den Tisch, ich habe einen Roman von ihm gelesen, ich finde ihn überschätzt, eitel und zu redselig.
«Servus. Wie geht’s denn dir?»
«Sehr gut. Hab mir grad ein Haus gekauft.»
«Ein Haus! Echt! Wo? In Wien?»
«Nein, in Niederösterreich.»
«Weinviertel?»
«Waldviertel. Aber nicht sehr weit oben.»
Ich sah, wie Adam aufhorchte. Er will auch ein Haus.
«Und? Viel herzurichten?»
«Schon, ja. Aber der Preis war ganz gut.»
«Wie viel?» Das war Adam.
«Siebzigtausend.»
«Echt? Nur Siebzigtausend?», sagte der Schriftsteller. «In Wien kriegst du dafür nicht einmal ein Vorzimmer.»
«Ist aber viel zu machen.»
«Trotzdem: Neid.»
«Es wird Gästezimmer geben.»
«Sehr gut, wir kommen. Ist es weit?»
«Eineinhalb Stunden ungefähr.»
«Ich will auch ein Haus am Land.» Adam. «Aber Toni will keins.»
«Ich komme vom Land. Ich weiß, wieso ich da nicht mehr bin. Ich will dahin nicht zurück.»
«Wär ja nur fürs Wochenende.»
«Ich will auch am Wochenende dahin nicht zurück.»
«Woher kommst du?» Die Filmemacherin.
«Aus einem kleinen Kaff in Oberösterreich. Nähe von Linz.» Aus einem scheußlichen Straßendorf, aus einem engen, alten, unbeheizbaren Haus, das nie renoviert wurde und das meine Mutter verdrecken ließ, mit täglich mindestens einer Maus in der Falle, und einem grauen Hinterhof, in dem sich der Müll türmte. Das erzählte ich nicht.
«Aber für die Kinder wäre es toll.»
«Ja, schon. Aber.»
«Kinder sollten ein bisschen Grün um sich haben. Wenigstens am Wochenende.»
«Oh ja», sagte die Filmemacherin. «Ich hätte auch so gern eine eigene Wiese. Vor allem, seit ich weiß, wie sehr man Spielplätze hassen kann. Ich hatte ja keine Ahnung, aber jetzt weiß ich es, ich verabscheue Spielplätze.»
«Hast du das neue Buch von der Lehmann schon gelesen? Da gibt’s eine hübsche Spielplatzszene. Ziemlich blutig. Wird dir gefallen.»
«Kenn ich schon, danke, nicht so meins.»
«Habt ihr die Ziegenwurst probiert? Ein Wahnsinn.» Der Bildhauer war am Buffet und hatte jetzt einen neuen Teller auf den Knien.
«Hast du nicht eben schon Gulasch gegessen?»
«Ja, auch sehr super. Um welches Buch geht’s?»
«Das neue von der Lehmann.»
«Keine Zeit zum Lesen», sagte der Künstler, «die Nadine und ich kriegen im Mai ein Kind.»
«Gratuliere! Aber da hast du jetzt schon keine Zeit mehr zum Lesen?»
«Gratulation! Wie viele hast du dann?»
«Lass mich mal nachzählen … Na, Schmäh, vier insgesamt. Aber der Jakob studiert ja schon.»
«Was denn?»
«Architektur. In Berlin.»
«Sehr schön. Und wie geht’s Nadine?»
«Eh gut.»
«Wisst ihr schon, was es wird?»
«Mädchen.»
«Prima. Kinder ohne Testosteron sind super.»
«Hallo?»
«Das heißt, ab Mai ist’s auch bei dir vorbei mit störungsfrei arbeiten und nachts durchschlafen.»
«Nix! Macht alles die Nadine. Die wollte unbedingt eins. Ich hab eigentlich schon genug. Für das ist jetzt die Nadine zuständig.»
«Hahaha. Sicher.»
«Ganz sicher.»
«Träum weiter. Solange du noch kannst.»
Später unterhielt ich mich mit Miranda, die mir, obwohl wir uns nicht so gut kennen, erzählte, dass bei ihr schon die dritte künstliche Befruchtung schiefging, und dass sie trotzdem nicht vorhat, aufzugeben. Ich hätte ihr das Geheimnis von einer erzählen können, die sich vor einem halben Jahr heimlich sterilisieren hat lassen, hinter dem Rücken ihres Ehemannes, der noch immer auf ein drittes und vielleicht viertes Kind hofft. Ich sprach mit einer Musikerin über die Schule, in die ihr Kind geht und machte mir im Kopf eine Notiz, mit Adam darüber zu sprechen, klang gut, was die sagte. Und ich stand lange mit einem anderen Künstler zusammen, der rote Lederhosen, spitze Schuhe und ein weit offenes Vichy-Karo-Hemd trug, dasselbe, das Moritz sich gekauft hat, nur in hellblau. Er bereitet offenbar gerade eine Ausstellung vor und erzählte von Stress mit Kuratoren und Galeristen. Ich hörte ihm nicht wirklich zu. Ich schob die ganze Zeit im Kopf herum, wie ich die Frage, wer ich bin und was ich so mache, beantworten würde, in einer Weise beantworten würde, dass es nicht so klänge wie: Ich bin niemand und habe mich deshalb von einem reichen Mann heiraten lassen, der mir eine Modeboutique in der Innenstadt eingerichtet
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