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Bestialisch

Titel: Bestialisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.A. Kerley
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nächsten Kreuzung. »Ich bin Ecke Prince und Elizabeth. Einen Block weiter unten kann ich einen Kirchturm erkennen.«
    »Old Saint Pat’s. Liegt nordwestlich von Ihnen. Können Sie ein Taxi nehmen? Nördlich von der Prince liegt die Houston. Da erwischen Sie sicher eins.«
    Einen Block weiter konnte ich Scheinwerfer und Bremslichter sehen. »Ich sehe es. Könnten Sie mir vielleicht verraten, worum es geht?«
    »Machen Sie bitte schnell. Die Adresse lautet …«
     
    Auf mein Klopfen hin kam Folger in einer kurzen Sporthose, einem ärmellosen Oberteil und braunen Ledermokassins an die Tür. In der Hand hielt sie eine halb automatische Waffe Kaliber 9, mit der sie auf den Boden zielte.
    »Empfangen Sie Ihren Besuch immer mit einer Knarre?«, fragte ich.
    Sie legte mir die Hand auf den Rücken, schob mich ins Wohnzimmer, steckte den Kopf zur Haustür hinaus und schaute die Straße hoch und runter, ehe sie hereinkam.
    »Ich habe ein Gesicht vor dem Fenster gesehen. Jemand hat reingespäht. Und als ich nach draußen ging, um nachzusehen, war da niemand. Aber schauen Sie mal …«
    Sie legte die Waffe weg, schnappte sich eine Profi-Taschenlampe, die auf einem kleinen Tisch lag, öffnete die Tür und richtete das Licht auf das Schloss. Ich inspizierte das linke Schlüsselloch. Der Lack wies kleine Kratzer auf.
    »Hat sich da jemand am Schloss zu schaffen gemacht?«, fragte sie. »Meiner Meinung sieht es ganz danach aus.«
    Ich fuhr mit dem Fingernagel über die Kratzer, die in Anbetracht der ausgehärteten Farbe ziemlich tief waren. »Was haben Sie gemacht, als das passiert ist?«, wollte ich wissen.
    »Ich habe mich mit ein paar Wetterdaten beschäftigt, geduscht und wollte gerade ins Bett gehen. Ich habe ENSO verfolgt …«
    »ENSO?«
    »El Nino Southern Oscillation, ein ozeanographischmeteorologisches Phänomen, das …« Sie brach ab und konzentrierte sich wieder auf das aktuelle Problem. »Ich hatte den Wetterkanal eingeschaltet. Und als ich den Computer und den Fernseher ausstellte, hörte ich das Kratzen. Draußen rief jemand mit tiefer, eiskalter Stimme: ›He, Sie. Ich kann Sie sehen!‹ Beängstigend. Da habe ich meine Waffe geholt und bin zum Fenster gekrochen, doch draußen war keiner. Vom Schreibtisch bis zur Tür habe ich dreißig, höchstens vierzig Sekunden gebraucht.«
    »Haben Sie gesehen, wer da gerufen hat?«
    »Nein. Der Typ hatte eine laute, durchdringende Stimme. Wahrscheinlich hat er jemanden an der Tür entdeckt und gerufen, wollte aber nicht abwarten und sich in was reinziehen lassen, was klug von ihm war.«
    »Warum haben Sie nicht einen Ihrer Kollegen verständigt? Bullard, Cluff oder sonst wen? Ihnen steht doch das ganze NYPD zur Verfügung.« Plötzlich hatte ich einen Geistesblitz, hielt inne und lächelte gutmütig. »Sie wollten vermeiden, dass das ganze Revier mitbekommt, wie sehr so ein Vorfall Sie aus der Fassung bringt, und haben stattdessen die Polizei von Mobile gerufen.«
    »Nein … ja, meine ich. Es wäre mir peinlich gewesen. Seit ein paar Wochen passieren hier komische Dinge.« Sie suchte meinen Blick. »Sie haben doch auch diesen sechsten Sinn, oder? Spüren dieses Kribbeln, wenn irgendwas nicht das ist, was es zu sein scheint.«
    »O ja. Das kenne ich.«
    Wenn Cops mit dem sechsten Sinn gesegnet sind, verrät ihnen schon ein leiser Luftzug, dass etwas nicht in Ordnung ist. Oder ein Schauer, der ihnen über den Rücken läuft. Oder ein Flattern im Magen, das ihnen sagt: Da stimmt was nicht. In Harrys Kopf ertönt bei der Gelegenheit immer eine leise Sirene.
    Folger stolzierte auf ihren langen Beinen durch den Raum und trat ans Fenster. Da sie auf einen behaglichen Abend daheim eingestellt gewesen war, trug sie bequeme Sachen und hatte auf einen Büstenhalter verzichtet. Mir fiel auf, wie sich ihre hübschen Brüste unter dem dünnen Stoff bewegten. Sie spähte auf die Straße hinaus und blickte dann zu mir hinüber.
    »Ich hatte ein komisches Gefühl. Als würde mich jemand beobachten.«
    »Haben Sie etwas entdeckt, das Ihre These stützt?«
    »Ein geparktes Fahrzeug, doch es fuhr weg. Vielleicht hat der Insasse mich beobachtet. In letzter Zeit bilde ich mir manchmal ein, Blicke zu spüren, und wenn ich mich umdrehe, ist da niemand.« Folger tippte mit dem Finger an ihre Schläfe. »Soll ich Sie noch kurz ins Hotel fahren, ehe man mich in die Klapsmühle verfrachtet?«
    »Sie haben also nie jemanden gesehen?«
    »Nur Schatten. Vor ein paar Tagen bin ich im Park gelaufen. Da war

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