Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bestiarium

Bestiarium

Titel: Bestiarium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tobias
Vom Netzwerk:
Million Jahre Homo-erectus-, gefolgt von ein paar Dutzend Jahrtausenden Homo-sapiens -Geschichte voller Troubadoure und Eroberer und der Sturheit, die sich jedes Dorf mit seinen kunstvoll angelegten Gemüse- oder Kräutergärten und ihren unweigerlich köstlichen Nebenprodukten bewahrt hatte, war gewiss nicht ohne Reiz, dachte Martin. Gleichzeitig erschien ihm all diese Schönheit, die unzählige Touristen aus der ganzen Welt anlockte, auf eine bedrohliche Art und Weise verwirrend.
    Max bremste plötzlich so scharf, dass der Wagen seitlich ausbrach und eine halbe Drehung ausführte.
    »Mein Gott!«, schrie Martin auf.
    Zwei Reiter hatten mitten in einer Kurve die Straße auf ihren Pferden überquert. Max hatte die Geschwindigkeitsbegrenzung mindestens um das Doppelte überschritten. Das Bremssystem des BMW, eins der besten der Welt, und Max' ungewöhnliches fahrerisches Können hatten eine Katastrophe verhindert. Die Straße war spiegelglatt. Die beiden Pferde bäumten sich aufgeregt auf, und das führende Pferd trat mit den Hufen nach dem Wagen und sorgte für eine tiefe Delle in der hinteren Tür auf Martins Seite. Jedoch wurde niemand verletzt.
    Das französische Paar begann wütend zu schimpfen, und Martins Französischkenntnisse konnten nicht damit Schritt halten.
    »Es tut mir schrecklich leid. Offenbar ist Ihnen nichts passiert.«
    Ein wildes Hin und Her von Beleidigungen entspann sich, bis das Paar, das die Pferde an den Straßenrand geführt hatte, sich wieder in die Sättel schwang und sich von der Straße entfernte.
    »Fahren Sie ein wenig langsamer«, befahl Martin, dessen Nervenkostüm arg gelitten hatte.
    »Keine Sorge, Sir. Wir müssen sowieso ein Stück zurückfahren«, meinte der Chauffeur besänftigend. Er wendete und fuhr langsam weiter, wobei er aufmerksam nach weiteren Wanderern Ausschau hielt. Schließlich verließ er die zweispurige Asphaltstraße und bog in eine morastige Lichtung ein, die tief in den Wald führte. Er hatte die nahezu unsichtbare Einfahrt zwei Meilen vorher verfehlt.
    »Sind Sie sicher, dass wir hier richtig sind?«
    Doch ehe Max bejahen konnte, sagte die freundliche englische Frauenstimme des Navigationssystems: »Weiter geradeaus. Nach einer halben Meile sind Sie am Ziel.«
    Die morastige Lichtung verengte sich, als die dicht belaubten Bäume zusammenrückten und mit ihren Ästen nach den Besuchern griffen. Plötzlich endete der Fahrweg, und vor ihnen erschien ein schnell dahinströmender Fluss, viel reißender und tiefer, als James es beschrieben hatte.
    Wie toll, dachte Martin, stieg aus dem Wagen, krempelte die Hosenbeine hoch, schlüpfte aus seinem Jackett und band die Schnürsenkel seiner Schuhe zusammen, damit er sie sich über eine Schulter hängen konnte. Es war 14 Uhr 07. Er hatte noch genügend Zeit, um seinen vorgesehenen Standort zu erreichen, vorausgesetzt, er verlief sich nicht.
    »Sie warten hier«, wies er Max an. »Machen Sie sich so unsichtbar wie möglich. Ich denke, ich bin bis fünf Uhr oder früher wieder zurück. Ach ja, und nehmen Sie sich vor großen Säugetieren in Acht. Vor allem vor Schweinen mit großen Hauern.«
    »Ich werde es mir merken, Sir.«
    Martin hob den kräftigsten Knüppel auf, den er in der Eile finden konnte, und gelangte nach kurzer Zeit an einen unglaublich reißenden Nebenarm des Flusses.
    Das Ganze muss ein schlechter Witz sein! Sein Herz pochte heftig. Er sah nirgendwo eine Möglichkeit, den Fluss zu überqueren, ohne damit rechnen zu müssen, dass er in seinen Fluten ertrank. Er stocherte mit dem Knüppel in Ufernähe im Wasser herum und fand schließlich eine Stelle, die möglicherweise seicht genug war. Er hatte Mühe, die Uferböschung hinabzusteigen, und tauchte bis zu den Knien ins Wasser ein. Er ging vorsichtig weiter, und der Wasserspiegel erreichte seine Oberschenkel. Die Strömung drohte, ihn von den Beinen zu reißen. Er kämpfte dagegen an, gelangte auf ebeneren, festeren Untergrund und setzte seinen Weg fort. Nun kam ihm eine Sandbank in die Quere, und seine Füße versanken darin. Er blieb regelrecht stecken und wurde sich plötzlich bewusst, dass er am Ende wirklich in diesem Wald stranden konnte, und dachte kurz daran, nach Max zu rufen.
    Martin benutzte den Knüppel als notdürftigen Halt, ertastete vor sich wieder festen Grund und bewegte sich zentimeterweise weiter, bis er tatsächlich das gegenüberliegende Ufer erreichte. Die Strecke, die er dabei zurückgelegt hatte, betrug nicht mehr als sieben oder acht

Weitere Kostenlose Bücher