Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bestiarium

Bestiarium

Titel: Bestiarium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tobias
Vom Netzwerk:
Aberdutzende von Namen. Als er die Liste überflog, konnte er einige Signaturen erkennen: Shelley, Beethoven.
    »Beethoven?«
    »Ja.« James konnte jetzt erkennen, wie die aufkeimende Erkenntnis seinen Neffen überwältigte.
    »In keiner speziellen Ordnung?«, fragte Martin.
    »Nein. Wir glauben, dass es dafür besondere Gründe gibt. Angesichts des hervorragenden Rufs deiner Frau als Kennerin der Materie dürfte sie keine Schwierigkeiten haben, die meisten, wenn nicht sogar alle Namen zu erkennen. Nimm es. Geh vorsichtig damit um. Es gibt kein zweites Exemplar. Zeig es Margaret. Sie hat genügend Zeit, es sich während der Fahrt hierher genau anzusehen.«
    Martin schaute auf die Uhr. Es war kurz vor sieben. Er stand auf.
    »Der Name, auf den Margaret sich neben Engelbert von Nassau konzentrieren sollte, ist dieser dort.«
    James deutete auf eine bestimmte Signatur in der Kolonne auf der ersten Seite. »Lodewijk van Gruuthuse aus Brügge. Er war einer der Unsrigen.«
    »Heißt?«
    »Ein Ritter vom Goldenen Vlies. Er besaß eine umfangreiche Bibliothek. Die heute ein kleines Schatzhaus mit Wandteppichen, Gemälden und Büchern ist.«
    »Du sagtest Leitfaden. Leitfaden wofür?«, wollte Martin wissen.
    »Diese Besucher haben nicht nur ihre Namen eingetragen und sind dann wieder abgereist. Der eigentliche Schatz ist etwas anderes.«
    »Ich höre.«
    »Eine zweite Handschrift, sie ist das Wesentliche, nicht die Signaturen. Und viel wertvoller, wage ich zu behaupten. Ich fürchte, von dort muss die Milliarde Dollar kommen.«
    »Gemälde? Musik?« Martin war verwirrt, rechnete, versuchte zu verstehen, und James hatte es offenbar eilig.
    »Die meisten Besucher haben irgendetwas gespendet, gewöhnlich ein Gemälde, aber auch den ein oder anderen Text oder ein Musikstück. Alles entstand, während sie das Château besuchten, und im Falle Beethovens und vielleicht auch Vivaldis glauben wir, dass auch danach noch irgendetwas kam. In diesem Buch sind keine Datumsangaben. Ich glaube, jedem war irgendwie klar, dass er eine zeitlose Erfahrung machte, wenn man es so ausdrücken will. Mein Großvater sagte, es seien um die zweihundert Seiten gewesen mit etwa hundertfünfzig Gemälden oder eher Illustrationen. Später sollen zwei vollständige Partituren der Handschrift hinzugefügt worden sein: Beethovens Neunte Sinfonie und Vivaldis Vier Jahreszeiten .«
    »Ist das dein Ernst?«
    »Tatsächlich haben wir Hinweise, die uns zu der Annahme bringen, dass Vivaldis Ruhm zum Teil auf die Zeit zurückzuführen ist, die er im Château verbracht hat. Aber das ist nur eine Theorie. Das Gleiche gilt für Buffon, möglicherweise auch für Darwin, aber da sind wir uns nicht sicher. Aber wir wissen von zahllosen neuen Arten hier, die niemals außer in Gemälden verewigt wurden, speziell in den Bildern von Savery. Sankt Franziskus schrieb ein Gebet. Giotto wiederum malte Sankt Franziskus, wie er hier im Château kniet, in der Nähe der Mauer, und mit einer Herde geflügelter Kühe spricht, wie man sie in Stein gehauen in Chartres sehen kann. Wir haben zwei lebende Exemplare hier und schwedische Seeadler, die in Europa schon lange ausgestorben waren, als Sankt Franziskus hierherkam. Einer hat hier überlebt. Jeder Besucher wurde zu totaler Verschwiegenheit verpflichtet, zum Ritter geschlagen und in die Familie aufgenommen. Sie waren keine Freimaurer oder Tempelritter, sondern etwas völlig anderes. Eine Gemeinschaft von Künstlern, von denen jeder etwas gesehen hat, dessen Existenz er niemals für möglich gehalten hätte, wenn es nicht das Château gegeben hätte. Eine Orchidee, die nur alle tausend Jahre blüht, und das bei Nacht. Arten leben hier friedlich zusammen, so wie Jesaja es sich vorgestellt hat. Gemälde vom Paradies wurden hier, praktisch in unserem Hinterhof, nach dem echten Modell geschaffen. Brueghel kam Anfang des 17. Jahrhunderts auf seiner Rückreise von Italien nach Antwerpen hier vorbei. Es ist durchaus möglich, dass Rubens hier mit ihm zusammengetroffen ist. Wir wissen nicht, wie lange Hubert und sein Bruder Jan van Eyck sich hier aufgehalten haben, aber Savery hat viele Monate hier verbracht.«
    »Woher weißt du das, wenn im Gästeregister kein einziges Datum festgehalten wurde?«
    »Wegen der Anzahl von Paradiesgemälden, die er in Anlehnung an das Anwesen geschaffen hat. Es gibt so viele Ausblicke, Tiere und Pflanzen. Sogar das Château selbst taucht in einem Gemälde auf, das jetzt in einem Museum in Wien hängt. Die

Weitere Kostenlose Bücher