Bestie Belinda
verstehen.
»Es hatte keinen Sinn mehr«, sagte Russell. »Ich weiß das. Ich habe einen Fehler begangen.« Bei jedem Wort musste er sich anstrengen. »Ich hätte viel früher etwas sagen sollen, doch ich war einfach zu feige. Ich wusste, dass das Leben gerecht ist. Dass man seine Strafe irgendwann bekommt. Ich habe sie schon erhalten.«
Russell hatte viel gesprochen, aber wenig gesagt. Er hatte uns als Zuhörer auf einen bestimmten Weg gewiesen, aber er war einfach noch zu schmal.
»Wofür sind Sie bestraft worden?«, fragte ich.
Er schaute mich an. »Ich weiß Bescheid...«
»Worüber?«
»Ich hätte eher etwas sagen sollen.«
Auch wenn er sich die Worte abrang, ich musste einfach mehr wissen. »Was ist so wichtig und entscheidend?«, fragte ich ihn. »Hängt es mit den Morden zusammen?«
»Ja...«
»Du kennst den Grund, Kollege?«, fragte Abe Douglas.
»Ich habe alles gewusst. Erfahren. Es war schlimm, denn ich habe geschwiegen.«
»Was taten die Männer?«
Mit dieser Frage bewies Abe Douglas, dass er sich auf der richtigen Spur befand. Er schaute ebenso auf das Gesicht des Schwerverletzten wie ich. Vor Aufregung hatte ich feuchte Hände bekommen, und Abe Douglas erging es bestimmt nicht anders.
Wir sahen dem ehemaligen Ausbilder an, dass er etwas hinzufügen wollte. Möglicherweise letzte Worte. Er bemühte sich auch. Sein Mund zitterte, und er musste unter einer wahnsinnigen Anstrengung leiden. Noch einmal schaffte er es.
»Die Männer haben... sie haben... sie...« Nichts mehr. Kein Wort drang über die Lippen. Der Mund blieb halb offen und zugleich starr. Ebenso wie die Augen.
Es war vorbei.
Wir verharrten noch eine Weile neben ihm, und es war Abe, der seine Hand ausstreckte und dem Toten die Augen schloss. Dabei sagte er: »In den letzten Minuten seines Lebens hat er vieles bereut, das steht fest.«
Ich richtete mich auf. »Sicher, Abe, aber was hat er bereut? Was steckt dahinter?«
Es ist eine alte Schuld gewesen, von der Russell etwas gewusst hat. Die fünf Agenten haben sie auf sich geladen, und er hat davon gewusst, aber geschwiegen. Frag mich nicht nach den Gründen, es ist eben so gewesen. Das muss während der Ausbildung in Quantico geschehen sein. Sie haben da eine verschworene Gemeinschaft gebildet und den Ausbilder einbezogen.«
»Du kennst dich gut aus.«
»Klar. Ich bin dort selbst ausgebildet worden. Quantico war auch mal meine zweite Heimat. So ist das nun mal. Da gibt es immer wieder Cliquen oder Gruppen.«
»Auch welche, die Verbrechen verüben?«, fragte ich.
»Nein, John, das ist eine Ausnahme gewesen. Ich weiß auch nicht, was da alles passierte und was sie genau getan haben. Jedenfalls muss es schlimm gewesen sein.« Er schluckte. Wir werden einigen Stress haben.« Er ging zur Seite und holte sein Handy hervor, um die Kollegen zu informieren. Der Tote musste abgeholt und auch untersucht werden. Wir waren Zeugen. Das hielt natürlich alles auf.
Ich ging ein paar Schritte zur Seite und schaute in die parkähnliche Landschaft hinein. Der Tannenbaum, der so kitschig geschmückt worden war, strahlte sein Licht ab und wirkte auf mich wie ein Fremdkörper.
Es bewegte sich auch nichts. Hinter uns im Haus war es ebenfalls still geblieben. Dieser Bau und sein Garten kamen mir vor, als hätte man beides der Realität entrissen.
Hier konnte man sich wirklich in einer gefühlskalten Umgebung auf den Tod vorbereiten.
Ich hörte Abe sprechen. Das erste Telefongespräch hatte er bereits beendet. Er kümmerte sich jetzt um Clint Walker. Wir brauchten alle verfügbaren Informationen über ihn, denn er lebte noch als Letzter aus der Gruppe.
Was war damals geschehen? Welche Schuld hatten die Mitglieder der Gruppe auf sich geladen. Es musste eine sehr schwere gewesen sein, sonst wäre sie nach all den Jahren längst verjährt.
Warum hatte der ehemalige Ausbilder nicht früher darüber gesprochen und erst in den Minuten vor seinem Tod? Er hatte es auch jetzt nicht tun wollen, dafür hatte er einfach die Konsequenzen gezogen und war in die Tiefe gekippt, um sich umzubringen. Der nahe Tod hatte ihn dann zum Reden veranlasst.
Abe Douglas hatte sein Gespräch beendet und kam mit gesenktem Kopf auf mich zu. Zufrieden sah er nicht aus. Ich fragte ihn, ob es Probleme gegeben hatte.
»Nein, nicht direkt. Ich hatte schon wegen Walker angerufen. Beim zweiten Mal müsste ich behutsam vorgehen und habe erfahren, dass er als äußerst erfolgreich eingestuft wird. Auch mehr Einzelgänger als
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