Bestie Belinda
bevor du an die Westküste fliegst.«
»Darf ich dir den Mantel abnehmen?«
»Nein.«
Die Antwort überraschte ihn. Dementsprechend sah auch sein Gesicht aus.
Belinda lachte fröhlich. Bevor der Wein serviert wurde und bevor sich Clint eine Antwort zurechtgelegt hatte, gab sie die Erklärung ab. »Ich möchte nicht lange bleiben. Das eine Glas Wein, dann gehe ich wieder.«
»Schade.«
»Ach – warum? Ich nehme dich mit. Zumindest dachte ich, dass du mitkommen würdest.«
»Hmmm.« Er schob die Unterlippe vor, die am linken Ende eine Narbe aufwies, was Belinda sexy fand, wie sie gesagt hatte. »Das hört sich nicht schlecht an, wo wir uns doch in den nächsten Tagen nicht sehen werden.«
Reza Widman servierte den Wein. »Er ist von unserem besten. Ausgezeichnet.«
»Ja, danke.«
Belinda probierte ihn, nickte zufrieden und lobte das Getränk, dessen Farbe zwischen Gelb und Grün schimmerte.
Reza war zufrieden und widmete sich wieder seinen anderen Gästen. Belinda und Clint prosteten sich zu. Als der G-man sein Glas abstellte, sagte er: »Wir werden zu mir fahren, aber du musst den Wagen lenken.«
»Nein, Clint.«
»Wieso?« Wieder versetzte ihn die Antwort in Erstaunen. »Da komme ich nicht ganz mit.«
»Ist sehr einfach. Diesmal fahren wir nicht zu dir, sondern zu mir.«
Diese Antwort haute Walker beinahe vom Hocker. Er fuhr durch sein braunes Haar und schüttelte den Kopf. »Das kann doch nicht wahr sein, wir fahren zu dir?«
»Ja. Endlich, nicht?«
»Kannst du wohl sagen.«
»Ich habe mir die Überraschung bis zum Schluss aufbewahrt.«
»Und wo geht es hin?«
Belinda ließ sich Zeit mit der Antwort. Zunächst trank sie einen Schluck Wein, dann spielte sie mit dem Glas und sagte: »Ich wohne nicht weit von hier.«
»Das dachte ich mir, aber wo?«
»In der Bahn.«
»Was?«, rief er.
Sie gab die Antwort lauter. »In einem Waggon, der auf dem Gartengelände steht. Dahin habe ich mich zurückgezogen, und dort fühle ich mich auch wohl.«
Clint Walker starrte sie an, ohne ein Wort sagen zu können. Er rang mit seiner Fassung. »Das habe ich mir beim besten Willen nicht vorgestellt. Wirklich nicht. In einem Waggon!«
»Ja. Du wirst sehen, wie gemütlich man ihn einrichten kann. Es gibt dort alles, was man braucht. Du kennst doch die Anlagen nicht weit vom Fluss.«
»Schon.«
»Dort wohne ich nicht allein«, sagte sie und strich mit dem rechten Mittelfinger über seine Brust von oben nach unten. Dabei hinterließ der Finger kleine Wellen im Stoff des schwarzen Pullovers. »Es gibt Nachbarn, die ihre Gartenhäuser winterfest gemacht haben. Und das sind keine von der Gesellschaft Ausgestoßene, sondern Menschen wie du und ich. Leute, die einfach die sehr hohen Mieten in der Stadt nicht bezahlen wollen oder können. Also haben sie sich in die Anlage zurückgezogen.«
»Nicht schlecht.«
»Eben.«
»Aber du...«
»Was soll ich machen? Ich gehöre nicht zu den Menschen, die über ein Vermögen verfügen. Ich habe mal in einer Mini-Wohnung gelebt, aber da fühlte ich mich wie eine Gefangene. Deshalb bin ich in den Waggon gezogen.«
Clint Walker hatte sich mittlerweile damit abgefunden und konnte wieder lächeln. »Finde ich ja super«, sagte er. »Jetzt weiß ich auch, warum du immer so geheimnisvoll getan hast, wenn es um deinen Wohnort ging.«
»Ich musste nur den richtigen Zeitpunkt abwarten, Clint. Das war alles.«
»Das hast du geschafft.«
Sie trank ihr Glas fast leer. Danach lächelte sie für einen Moment ins Leere. Wie jemand, der mit seinen Gedanken ganz woanders ist. »Wir werden bestimmt viel Spaß miteinander haben, Clint. Das kann ich dir versprechen.«
Diesmal lächelte er. Seine Augen schimmerten dabei.
»Das kann ich mir gut vorstellen.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Wie lange möchtest du noch hier bleiben?«
»Wir können sofort los.«
»Umso besser.«
Mit einer knappen Handbewegung winkte er Widman zu sich heran und bat um die Rechnung.
»Kommt sofort«, sagte Reza und zwinkerte ihm zu. »Das wird ja noch eine tolle Nacht für dich.«
»Denke ich auch.«
Belinda mischte sich nicht in das Gespräch ein. Sie trank den letzten Rest und stellte das leere Glas zurück. Keinem der Männer fiel der kalte und schon grausame Ausdruck in ihren Augen auf. Als sie einen letzten Weintropfen von ihren Lippen ableckte, da tat sie es mit einem wahren Genuss, als wollte sich ein Vampir noch an einem übrig gebliebenen Tropfen Blut laben...
***
Nicht mal acht Minuten später
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