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Bestien

Bestien

Titel: Bestien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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sondern in der tieferen
Dunkelheit der Diele geblieben. In einem Ton, aus dem seine
innere Anspannung herauszuhören war, hatte er sich wieder
dafür entschuldigt, was vorher geschehen war. Als Blake ihn
gefragt hatte, wo er gewesen sei, hatte er nur einen Augenblick
gezögert. »Nirgends. Ich ging bloß eine Weile herum und kam
dann nach Haus.«
Er war in sein Zimmer hinaufgegangen, und eine Weile
waren Blake und sie stumm im unbeleuchteten Wohnzimmer
geblieben. Dann hatte Blake die Worte ausgesprochen, die den
Streit wieder hatten aufleben lassen: »Siehst du? Es fehlt ihm
nichts, Schatz. Er mußte nur mit sich ins reine kommen.«
Darauf war es wieder eine Stunde hin und her gegangen, bis
Sharon schließlich zum Schlafzimmer hinaufgegangen war und
Blake im Wohnzimmer zurückgelassen hatte. Erschöpft war sie
ins Bett gekrochen, aber unfähig zu schlafen, den Kopf voller
widersprüchlicher Gedanken. Irgendwann war sie zuletzt in
unruhigen Schlaf gesunken.
Nun stand sie auf, fuhr in den Morgenmantel und ging
hinunter. Das Haus war still, und einen Augenblick fragte sie
sich, wo Chivas sei. Sie ging in die Küche und schenkte sich
eine Tasse Kaffee aus der Kanne ein, die Blake ihr
zurückgelassen hatte, dann fiel ihr Blick auf die Notiz, die er
geschrieben hatte. Es war eine seltsame Notiz, wie die kurze
Botschaft eines Ehemannes, der lediglich beschlossen hatte,
seine Frau länger schlafen zu lassen. Er habe den Kindern das
Frühstück gemacht, schrieb er, und sie dann zur Schule
geschickt:
PS: Mark heute früh in guter Verfassung. Er schaffte gestern
die Aufnahme in die Footballmannschaft! Ist das nicht
großartig?
Mark in guter Verfassung. Das war es schon, nach allem,
was gestern geschehen war? Mark in guter Verfassung! Sie
zerknüllte die Notiz und warf sie durch die Küche. Wenn Mark
in so guter Verfassung war, wie erklärte Blake dann den
Zustand seines Zimmers? Sie hatte auf dem Weg in die Küche
nur einen Blick hineingeworfen und sich dann abgewandt, als
könne sie durch Nichtbeachtung vorgeben, die Episode habe
sich nie ereignet.
Sie blickte zur Uhr und überlegte, ob es noch zu früh sei,
Dr. MacCallum im Bezirkskrankenhaus anzurufen, und sagte
sich, daß sie noch warten mußte. Wäre er schon im Besitz von
Neuigkeiten, hätte er sie angerufen.
Sie räumte das Geschirr vom Tisch, wo ihre Familie es
stehengelassen hatte – wenigstens das war normal –, und begann die Reste in den Mülleimer zu schaben. Ihr Blick ging
gewohnheitsmäßig hinaus in den Garten und zum Kaninchenstall.
Auch die Kaninchen sahen vollkommen normal aus, saßen
wie immer aneinandergeschmiegt in einem Winkel des
Geheges.
Dann sah sie den Rauhreif im Gras – sogar der Himmel sah
frostig aus
– und runzelte die Stirn. Was machten die
Kaninchen draußen im Gehege? Wenn es kalt war, gingen sie
nur zum Fressen ins Freie, um sich dann wieder in die Wärme
ihres Stalles zurückzuziehen.
Sie unterbrach ihre Arbeit und spähte angestrengt hinüber,
einen tropfenden Teller in der linken Hand.
Die Kaninchen rührten sich nicht.
Ihre Hand begann zu zittern. Rasch legte sie den Teller auf
die Spüle, zog den Morgenmantel enger um sich und lief zur
Hintertür hinaus in die Eiseskälte des Morgens.
Das bereifte Gras knirschte unter ihren Pantoffeln, als sie
über den Rasen zum Kaninchenstall lief. Im Nu durchdrang die
Kälte ihr dünnes Gewand, und sie bekam eine Gänsehaut.
Sie starrte zu den Kaninchen, dann ging ihr Blick zur
Futterschale.
Sie war voll, und in dem Gefäß daneben war frisches
Wasser.
Und die Kaninchen rührten sich noch immer nicht.
Sie waren erfroren.
Der Gedanke war ihr kaum in den Sinn gekommen, da
begriff sie schon, daß er falsch war. Die Kaninchen saßen nicht
aneinandergeschmiegt, wie sie es gewöhnlich machten. Sie
waren einfach in dem Winkel aufgehäuft, zwei lagen auf dem
Rücken, die anderen sahen aus, als wären sie wie alte Lumpen
übereinandergeworfen worden.
Mit zitternden Händen öffnete sie die Tür zum Stall und
griff hinein, eines der kleinen Tiere aufzuheben.
Sein Kopf fiel haltlos nach hinten, so daß er auf dem
Rücken des Kaninchens ruhte.
Seine Halswirbel waren gebrochen.
Wie betäubt nahm sie die vier andern Kaninchen heraus.
Alle waren auf die gleiche Weise gestorben.
Vor ihrem inneren Auge erschien ungebeten das Bild des
sterbenden Chivas, wie er zuckend in Marks Würgegriff über
dem Boden gehangen hatte. Das Kaninchen entfiel ihren
Händen. Mit einem kleinen Schrei sprang sie auf und

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